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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Selbständigkeit versetzt, mit welcher sich das inzwischen gereifte Bewußtsein der Person verband. Mit jener außergewöhnlichen Schönheit begabt, die ebenso selten als dann auch vollkommen erscheint, von innen heraus zugleich von dem Bedürfnis harmonischen Lebens beseelt, hatte sie sich zunächst mit den leichten und doch starken Schranken ruhiger Absichtslosigkeit, ja Resignation umgeben, um jeder Reue bringenden Übereilung und Gewaltsamkeit aus dem Wege zu gehen, wahrscheinlich aber doch mit dem Vorbehalte entschiedener Wahl, sobald die rechte Stunde käme.
    Diese war mit der Erscheinung Eriksons unvermutet da; in Erkennung oder Ahnung derselben hatte Rosalie den ersten Augenblick nicht verscherzt, nachher aber mit aller Ruhe und Umsicht sich weiter benommen. Sie wußte Erikson nach und nach Gelegenheit zu geben, mit allerlei Rat bei ihr zu erscheinen; das gab sich ungezwungen von selbst, da sie in der Tat begriffen war, die zufällige und bunte Art ihres Hausrates und Wohnsitzes umzuwandeln, zu vereinfachen und doch zu bereichern. Mit geheimer Freude bemerkte sie die ruhige Sicherheit in Eriksons Auskünften und Hilfeleistungen und wie er ganz an seiner Stelle schien, wenn er über Mittel und Raum in zweckmäßiger Weise verfügen konnte. Daß er von guter Familie und Erziehung war, blieb ihr nicht verborgen, soweit sie das aus eigener Erfahrung zu beurteilen vermochte, und so ging sie Schritt für Schritt weiter in der Absicht, den Bären zu fangen, dessen Gefangene sie schon war. Sie zog mehr Gäste herbei, um ihn öfter einladen zu können und ihn bei Tische zu sehen; auch veranlaßte sie ihn, Freunde bei ihr einzuführen, so daß ich ebenfalls einoder zweimal in ihr Haus geriet, wobei es mir zustatten kam, daß ich nach dem Wunsche meiner Mutter mich immer noch im Besitze eines geschonten Sonntagskleides befand. Unsern Freund Lys hingegen brachte er kein einziges Mal hin, des verschlossenen Albums wegen, wie er mir anvertraute, was ich mit ernster Miene billigte. Ich glaube beinahe, daß ich eine Art pharisäischer Eitelkeit über meine Bevorzugung beherbergte und mir etwas darauf zu gut tat, daß ich noch nie durch Reichtum, Freiheit, Weltkenntnis und geeignete Persönlichkeit in die Lage gekommen war, die eigene Tugend zu bewähren.
    Denn meine frühen judithischen Abenteuer brachte ich keineswegs in Anschlag; ich lebte auf jenem Punkte, wo man die sogenannten Kindereien für geraume Zeit vergessen und in selbstgerechter Härte alles verurteilt, was man noch nicht erfahren hat.
    Als jetzt das Künstlerfest vorbereitet wurde, standen die Sachen zwischen Rosalie und Erikson so, daß jene halbwegs als seine Partnerin daran teilnehmen konnte, wie man etwa der Einladung zu einem Balle folgt.
    Auf einem andern Wege wandelte Lys, um seine Festgefährtin zu holen. In einem altertümlichen Teile der inneren Stadt, auf einem kleinen Seitenplatze, stand ein schmales Haus, von geschwärztem Backstein erbaut und nur drei Stockwerke hoch, jedes nur von der Breite eines einzigen, freilich ansehnlichen Fensters. Nicht nur die Fenster waren reich in ihrer Einfassung gegliedert, sondern in die Höhe laufend unter sich mit Zierat verbunden, der wiederum verdunkelte Mauergemälde einfaßte. So bildete das Haus einen kleinen Turm oder vielmehr ein schlankes Monument, wie etwa Künstler vergangener Jahrhunderte mit besonderer Liebe für sich selber erbaut haben.
    Über der Haustüre reichte ein Marienbild von schwarzem Marmor, das auf einem vergoldeten Halbmonde stand, bis zum ersten Stockwerke, und an der Türe glänzte noch der ursprüngliche Türklopfer, der ein kühn sich hinausbiegendes Meerweibchen darstellte. Das untere Gemälde über dem ersten Fenster enthielt den Perseus, wie er die Andromeda von dem Drachen befreit, dasjenige über dem zweiten Fenster den Kampf des heiligen Georg, der die libysche Königstochter aus der Gewalt des Lindwurmes erlöst, und auf die spitze Giebelmauer war der Engel Michael gemalt, der zugunsten der Jungfrau über der Haustüre ebenfalls ein Ungeheuer mit seiner Lanze niederstieß. Vor vielen Jahren, als solche Denkmäler wie dies zierliche Häuschen verachtet und niedergerissen oder übertüncht wurden, hatte ein kleiner Baumeister dasselbe für wenig Geld an sich gebracht, sorglich erhalten und seinem Sohne hinterlassen, der ein mittelmäßiger Bildnismaler und zugleich ein Ersatzmann in des Königs Hartschiergarde gewesen, da er ein stattlicher Mann war. Die Witwe dieses malenden

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