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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gerichteten vertrauten Tone, welchen solche Eroberer anzuschlagen pflegen, um die Welt an das Unvermeidliche beizeiten zu gewöhnen. Erikson ertrug manches an ihm, ohne zu richten; jetzt aber stieg ihm doch der Gedanke auf, ob der Freund nicht doch einer von den Tröpfen sein dürfte, deren Hauptstück darin besteht, goldene Uhren zu stehlen oder einem andern das Weib zu nehmen. Es gibt ja, dachte er, bei beiden Geschlechtern solche Raub-und Wechseltiere, die nur dann glücklich sind, wenn sie erst fremdes Glück zerstört haben! Freilich nehmen sie nur, was sie kriegen können, und die Ware ist auch meistens darnach! Allein diesmal wäre es wirklich schade! Und er betrachtete mit neuer Besorgnis und Bewunderung Frau Rosalien, wie sie mit unverwüstlicher Holdseligkeit Lysens Gespräch anhörte und ihn mit unwiderstehlichem Lächeln zu klugen und zuversichtlichen Redensarten verlockte. Derart beschäftigt, konnte er nicht beachten, was mit Agnes vorging und wie ich als ihr Abgesandter abermals zu Lys herüberkam und ihn leise, aber inständig bat, nur ein einziges Mal mit ihr zu tanzen. Da Lys eben eine kleine Pause machte, schreckte er auf wie ein balzender Auerhahn, aber nicht um davonzufliegen, sondern mich mit unterdrückter Stimme anzufahren: »Was ist denn das für eine Sitte an einem jungen Mädchen? Tanzt miteinander und laßt mich zufrieden!«
    Ich ging hin, um das schmerzlich erregte Wesen so gut möglich zu trösten und hinzuhalten; doch war mir Erikson schon zuvorgekommen, welchem Rosalie, während ich mit Lys gesprochen, einige Worte zugeflüstert hatte, die ihn munter zu machen schienen. Er führte die schimmernde Gestalt in die Tanzreihen und schwang sich mit ihr ebenso kraftvoll als leicht herum, und Agnes flog in eigener Kraft mit ihm und um ihn herum, wie wenn ihre feinen Knöchel von Stahl gewesen wären. Hernach wurde sie von Herrn Franz von Sickingen aufgefordert, der noch nicht gewillt war, sich in einem Harnischkasten begraben zu lassen. Sie erschien auch in dem Figurentanze, der aufgeführt wurde, wieder so fremdartig reizend, daß der große Meister Dürer selbst sich an den Weg stellte und seiner Rolle getreu kein Auge von ihr verwandte, sein Büchlein hervorzog und eifrig zu zeichnen begann. Der artige Einfall rief großes Vergnügen hervor; man hielt inne, und es sammelte sich eine beifällige, fast ehrfürchtige Menge, etwa wie wenn der alte Meister leibhaftig erschienen und zeichnend gesehen worden wäre.
    Es war noch nicht der Gipfel der Ehren, die Agnes heute erlebte; der kaiserliche Weißkunig ließ sich im Vorbeispazieren von seinem Gefolge über den Auftritt Bericht geben, die schlanke Diana sich vorstellen und bat den von Sickingen mit huldreichen Worten, sie ihm für einen Rundgang zu überlassen.
    Unter dem Einfallen des vollen Orchesters ging sie an der Hand des festlichen Traumköniges um den Saal, während überall auf ihrem Wege die Ritter, Edeldamen und Patrizierinnen sich verbeugten, die Bürger ihre Mützen zogen.
    Ihr Gesicht war blühend gerötet von Erregung und Hoffnung, als sie mit so rühmlichem Erfolge, nachdem der Kaiser sie an Sickingen, dieser an Erikson feierlich abgegeben hatte, von letzterm an ihren Platz zurückgeführt wurde.
    Allein der Geliebte hatte nichts von allem gesehen und nahm auch ihre Rückkehr nicht wahr. Rosalie hatte sich während der Zeit ihres breiten Federhutes entledigt und denselben Lysen zum Halten gegeben; und wie sie nun mit freiem Kopfe dasaß und ihr ambrosisches Haar mit den weißen Fingern ordnete, wirkte ihre Schönheit mit erneuter Betörung auf ihn ein.
    Jetzt erblaßte Agnes, wendete sich zu mir und bat mich, ihm zu sagen, sie wünsche nach Hause gebracht zu werden. Sogleich eilte er herbei, besorgte den warmen Mantel des Mädchens und ihre Überschuhe, und als sie gut verhüllt war, führte er sie, mich hinzuwinkend, in den Hof, legte ihren Arm in den meinigen und ersuchte mich, indem er sich von Agnes in freundlich väterlicher Weise verabschiedete, seine kleine Schutzbefohlene recht sorgsam und wacker nach Hause zu geleiten.
    Zugleich verschwand er, nachdem er uns beiden die Hände gedrückt, wieder in der Menge, welche die breite Treppe auf-und niederstieg.
    Da standen wir nun auf der Straße; der Wagen, welcher Agnesen mit ihrem Liebesentschlusse hergebracht, war nicht zu finden, und nachdem sie traurig an das erleuchtete Haus, in welchem es sang und klang, hinaufgesehen, kehrte sie ihm noch trauriger den Rücken und trat,

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