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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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flog und den mit ihr tanzenden Lys zeitweise halb bedeckte. Dieser grüßte uns froh und zufrieden, wie man Kinder grüßt, die sich gut zu unterhalten scheinen. Wieder trafen wir am Ende des Walzers zusammen; Rosalien gefiel das zierliche Kind und verlangte es in ihrer Nähe zu haben, während ich an den Narrenspielen teilnehmen mußte, die den Tanz jetzt ablösten.
    An einem langen Seile führte Kunz von der Rosen alle vorhandenen Narren durch das Gedränge. Jeder trug auf einer Tafel geschrieben den Namen seiner Narrheit, und von den leichteren schied der lustige Rat neun schwere aus und stellte sie vor dem Kaiser als Kegelspiel auf. So standen da vor aller Augen Hochmut, Neid, Grobheit, Eitelkeit, Vielwisserei, Vergleichungssucht, Selbstbespiegelung, Halsstarrigkeit und Wankelmut. Mit einer mächtigen Kugel, welche die übrigen Narren mit komisch heftigen Gebärden herbeiwälzten, versuchte nun mancher Ritter und Bürger nach den neun Kegelnarren zu schieben, aber nicht einer wankte, bis endlich der heroische Max, welcher das ganze deutsche Volk darstellte, sie alle mit einem Wurfe über den Haufen warf, daß sie übereinanderpurzelten.
    Aus dieser Niederlage entwickelte sich eine scherzhafte Auferstehung, indem Kunz dem sieghaften König als Belohnung die wiedererstandenen Bildwerke der alten Welt vor Augen brachte und zunächst die gefallenen Narren als Niobidengruppe aufrichtete, welche freilich zur Zeit Maximilians noch in der Erde lag. Aus der tragischen Darstellung löste sich unversehens die Gruppe der Grazien, von drei jungen, zierlich feinen Narren gebildet, welche sich nach einmaligem Umdrehen wieder um einen Mann verminderten und als Amor und Psyche umfingen, bis diese sich auflösten und nur ein Narzissus übrigblieb. Aber auch dieser schwand hinweg, und an seiner Stelle lag jener kleinste Zwerg als sterbender Fechter am Boden und machte seine Sache so vortrefflich, daß alle Zuschauer zu lautem Beifall gerührt wurden und die gesamte Narrenschaft herbeieilte, ihn samt der umgekehrten Fischschüssel, auf welcher er lag, emporhob und im Triumph davontrug.
    Als auch diese Wolke sich verzogen, wurde eine Laokoonsgruppe sichtbar, von Erikson und zwei jungen Satyrn mit Hilfe zweier großen Schlangen dargestellt, die man aus Draht und Leinwand gemacht hatte. Es war keine leichte Anstrengung, mit gespannten Muskeln in der vorgeschriebenen Lage zu verharren; diese wurde aber noch schwieriger, als er in dem krampfhaft zurückgebogenen Kopfe die Augen einmal abwärts bewegte und in dem nunmehrigen augenblicklichen Gesichtsfelde Rosalien sah, wie sie von Lys am Arme vorübergeführt wurde, sich lächelnd, aber flüchtig nach ihm umwendete und dann mit ihrem Führer plaudernd sich im Gedränge verlor. Auch hörte er in der Nähe sagen: »Da geht ja die schöne Venus die ganze Zeit mit dem reichen Fläming oder Friesen, oder was er ist! Gut genug sieht er übrigens aus, und sie wird denken schön und reich, sind beide gleich!«
    Sobald er die Schlangen abgestreift hatte und frei war, stürmte Erikson durch das Haus und bettelte von zechenden Bekannten entbehrliche Gewandstücke zusammen. Wunderlich gekleidet, teilweise ein Bischof, ein Jäger und ein wilder Mann, den Kopf noch grün belaubt, suchte er die Verschwundenen auf und fand sie in dem größern Kreise, in welchem die Bacchusleute, der Hof der Venus und die Jäger sich vereinigt hatten. Er war nicht eifersüchtig und schämte sich sogar des Gedankens, daß er es je sein könnte, weil die begründete wie die grundlose Eifersucht diejenige Würde vernichtet, deren die gute Liebe bedarf. Er wußte nur, daß in der Welt alles möglich sei und das Folgenreichste oft von einer kleinen Unterlassung abhänge, welche die Dinge ohne Not verändere, und überdies war er zu dieser Zeit noch ungewiß, ob das Verraten von Ruhe oder Unruhe welches von beiden für Rosalien eher beleidigend sein könnte. Denn wenn sie sich die Mühe gab, die Bewerbungen des Niederländers so offenkundig zu ertragen, und dabei eine geheime Absicht verbarg, so mußte Erikson sich artigerweise auch die Mühe geben, einen solchen Vorgang zu verstehen.
    Die Ruhe gewann indessen die Oberhand, als er das vermißte Paar mitten in unserm mythologischen Kreise sitzen sah; er nahm gleichmütig in der Nähe Platz, mußte aber alsobald seine Aufmerksamkeit wieder anstrengen. Lys führte seine Reden über durchaus unverfängliche, ja gleichgültige Dinge, aber mit jenem unmittelbar an die Frau

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