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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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von mir geführt, den Rückweg durch die stillen Gassen an, in denen der Morgen zu dämmern begann.
    Sie hielt das Köpfchen tief gesenkt; in der Hand trug sie unbewußt den großen Hausschlüssel, ein altes Stück Arbeit, welches ihr Lys in der Zerstreuung anstatt mir zugesteckt hatte. Sie trug den Schlüssel fest umschlossen in dem dunklen Gefühle, daß Lys ihr das kalte, rostige Eisen gegeben; es war doch etwas, das von ihm kam, sonst hatte er heute nicht viel an sie gewendet. An dem Festmahle hatte sie beinahe nichts genossen, und das wenige, mit dem sie seither etwa ihre Lippen erfrischt, war von mir besorgt worden.
    Als wir vor dem Hause angelangt, stand sie schweigend und rührte sich nicht, obgleich ich sie wiederholt fragte, ob ich die Glocke ziehen oder vielmehr mit dem zierlichen Meerfräulein des Türklopfers Lärm machen solle, und erst als ich den Schlüssel in ihrer Hand entdeckte, aufschloß und sie bat hineinzugehen, legte sie langsam beide Arme mir um den Hals und fing an, erst wie im Traume zu stöhnen, dann mit den Tränen zu ringen, die nicht fließen wollten. Ihr Mantel sank von den Schultern; ich wollte ihn aufhalten, umfing sie aber statt dessen brüderlich und streichelte ihr den Kopf und den Hals, denn den Wangen konnte ich nicht beikommen. In der feinen Silberbrust, die an mir lag, fühlte und hörte ich die Seufzer sich heraufarbeiten und das Herz klopfen; es war wie das Murmeln eines verborgenen Quells, den man im.
    Walde an der Erde liegend etwa zu hören bekommt. Ihr heißer Atem strömte in mein Ohr, es wurde mir zu Mute, als ob ich ein selig trauriges Märchen, wie es in alten Liedern steht, wirklich erlebte, und ich seufzte unwillkürlich auf.

    Endlich konnte das ärmste Wesen zum Weinen kommen, und es begann ein bitterliches Schluchzen. Die klagenden Naturlaute, keineswegs schön, aber unendlich rührend, wie der Kummer eines Kindes, drängten und brachen sich in der feinen Kehle und in der nächsten Nähe meines Ohres. Sie warf den Kopf herum auf meine andere Schulter, und ich legte meinen Kopf in absichtsloser Bewegung auch darauf, wie um ihren Schmerz zu bestätigen. Da zerstachen ihr die Distelblätter und Stechpalmen an meiner Kappe Hals und Wange, sie fuhr zurück, erwachte und erkannte plötzlich, mit wem sie war. Hilflos stand das doppelt getäuschte Mädchen da und sah weinend zur Seite. Ich gab ihr den Mantel auf den Arm, nur um sie mit etwas zu beschäftigen, führte sie sanft zur Treppe und ging darauf hinaus, die Türe zuziehend. Alles war noch still in dem Hause, die Mutter schien fest zu schlafen, und ich hörte nur, wie Agnes stöhnend die Treppe hinaufstieg und sich wiederholt an den Stufen stieß.
    Endlich ging ich weg und kehrte langsam in den Festsaal zurück.

Vierzehntes Kapitel
    Das Narrengefecht
    Die Sonne ging eben auf, als ich in den Saal trat. Alle Frauen und älteren Leute waren schon weggegangen; die Menge der Jüngeren aber, von höchster Lust bewegt, wogte durcheinander und schickte sich an, eine Reihe von Wagen zu besteigen, um unverzüglich, ohne auszuruhen, ins Land hinauszufahren und das Gelage in den Forsthäusern und Waldgärten fortzusetzen, welche an den Ufern des breiten Bergflusses gelegen waren.
    Rosalie besaß in jener Gegend ein Landhaus, und sie hatte die fröhlichen Leute der Mummerei eingeladen, sich am Nachmittage dort einzufinden, bis wohin sie als bereite Wirtin ebenfalls dasein würde. Insbesondere waren dazu noch einige Frauen gebeten, und diese hatten ausgemacht, da es einmal Fasching sei, in der alten Tracht hinauszufahren; denn auch sie wünschten so lang als möglich sich des glänzenden Ausnahmezustandes zu erfreuen.
    Erikson war in seine Wohnung gegangen, um sich in seine gewohnten Kleider zu werfen, die er nur etwas sorgfältiger als sonst auswählte. Da auch Rosalie später in moderner Toilette erschien, wie sie der Jahreszeit und dem Tage einfach angemessen war, ließ sich denken, daß hierin entweder eine Verständigung stattgefunden oder ein übereinstimmendes Gefühl waltete, beides schlichte Anzeichen, die von ruhigen Beobachtern nicht übersehen wurden.
    Auch Lys war nach Hause geeilt, doch in entgegengesetztem Sinne. Er hatte seinerzeit zu Studien für das Bild mit dem Salomo versuchsweise ein altorientalisches Königskostüm anfertigen lassen; das lange Gewand war von weißem feinem Batistleinen, in viele Falten gelegt und mit purpurfarbigen, blauen und goldenen Borten, Troddeln und Fransen besetzt. Kopf-und

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