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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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aufsteigenden Berg, und oben steht eine Kapelle unserer lieben Frau, die weit über das Land hinschaut und sich ins letzte Abendrot taucht. Dicht daneben habe ich ein kleines Lusthäuschen gebaut und unter demselben ein Kellerchen in den Stein gehauen, wo stets ein Dutzend Flaschen klaren Weines liegen. Wenn ich nun einen neuen Kelch fertig habe, so steige ich, eh ich die innere Vergoldung anbringe, hier hinauf und leere das Gefäß drei-oder viermal auf das Wohl aller Heiligen und aller frohen Leute. Denn ich will nur gestehen, meine Silberarbeit, etwas Musik und der Wein sind meine einzige Freude gewesen und meine besten Tage die sonnigen Feiertage der Mutter Gottes, wenn ich zu ihrem Preise in den benachbarten Kirchen spielte, während unten auf bekränztem Altare meine Gefäße glänzten; und ich muß bekennen, daß nachher ein Räuschchen an heiterer Pfaffentafel mir als der Gipfel des Daseins erschien. Das wird freilich nicht mehr so sein, ich weiß jetzt etwas Besseres –«
    Er stockte bei diesen Worten, die er mit wachsender Wärme gesprochen, ermannte sich aber sogleich, erhob sich vom Stuhle und wendete sich an die Frauen: »Was soll ich längere Umschweife machen? Ich bin hier, um dem Fräulein ein redliches Herz anzubieten, mit allem Zubehör von Hand, Haus und Hof; kurz, ich bin gekommen, einen Heiratsantrag zu machen! Ich bitte um gütiges Gehör und bitte, sofern meine Handlungsweise allzu rasch und verwegen erscheint, zu bedenken, daß gerade solche Festivitäten, wie die soeben beendigte, nicht selten mit derartig unvorgesehenen Ereignissen abschließen!«
    Die gute Witwe, an die äußerste Sparsamkeit gewöhnt, hatte soeben ein Stückehen Zucker, das ihr wider Willen in die Tasse gefallen, mit dem Löffelchen herausgefischt und im stillen auf die Untertasse gelegt, um zu retten, was noch nicht geschmolzen war. Sie leckte das Löffelchen schnell und zierlich ab und begann darauf, vor Vergnügen errötend, in ihren schönsten Tönen von der großen Ehre zu singen, aber auch von der nötigen Bedenkzeit und Überlegung, die man sich gestatten müsse. Allein die Tochter unterbrach sie, womöglich noch blasser als bisher: »Nein, liebe Mama! Auf die Frage des Herren Reinhold muß nach allem, was wir erlebt und was er für mich getan, sogleich die Antwort folgen, und mit deiner Erlaubnis sage ich ja! Ich habe das Mißgeschick nicht verdient, das mich betroffen; um so williger muß der Dank für meinen Retter sein, der mich aus Verlassenheit und Verachtung emporhebt!«
    Mit Tränen der Rührung, die ihr aus den Augen quollen, schritt sie dicht an den glücklichen Freier heran, legte die Arme um seinen Hals und drückte die sehnend geöffneten Lippen, die noch nie geküßt, auf die seinigen.
    Er streichelte mit schüchterner Zärtlichkeit ihre Wangen, verwandte aber kein Auge von ihr. Erstaunt und ratlos sah die Witwe zu, und Agnes rief: »Sei nur ruhig und zufrieden, Mutter! Gestern noch habe ich zur Heiligsten Jungfrau gebetet, sie möchte meinem Herzen geben, was ihm gebührt; heute hab ich den ganzen Tag geglaubt, sie habe mich unerhört gelassen, und jetzt halt ich es doch im Arm, was mir gehört und mir besser zum Heile dient als das, was ich meinte!«
    Jetzt schien mir der Zeitpunkt gekommen, wo ich mich schicklich als überflüssig entfernen konnte; denn ich wußte nicht, wo ich hinblicken sollte.
    Schnell gab ich allen die Hand und eilte davon, ohne mich halten zu lassen oder gehalten zu werden. Auf der Straße sah ich nochmals an das Haus hinauf, wo das Mondlicht auf dem schwarzen Madonnenbilde über der Haustüre lag und den goldenen Halbmond sowie die Krone schwach beglänzte.
    »Himmel, welch katholische Wirtschaft!« sagte ich zu mir selbst und schüttelte den Kopf über das krause Leben. Beim Morgengrauen dieses Tages hatte ich den spitzigen Degen auf einen Gottesleugner gezückt, und nun, da es Nacht war, lachte ich wieder über diese Heiligenanbeter.
    Am nächsten Morgen war es mir weniger lächerig zu Mut, als es galt, die unterbrochene Arbeit wiederaufzunehmen. Während die Künstlerschaft wohl in ihrer großen Mehrheit fest und unbekümmert auf der gewohnten Bahn weiterschritt, fand ich mich unschlüssig, was zunächst zu tun sei. Als ich mich umsah, hatte ich die Empfindung, als ob ich monatelang nicht in dem Zimmer gewesen, meine halbfertigen Sachen Denkmäler einer verschollenen Zeit wären. Eines nach dem andern zog ich hervor, und alles dünkte mich schal und unnötig, wie eine

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