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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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– diesen Umstand könnten Sie etwas ausmalen! Es ist wirklich komisch, wie die Gute immer noch Einkäufe macht, sobald sie etwas sieht, wovon sie denkt, es wäre in meinem dereinstigen Haushalt zu brauchen, und so stapelt sie in ihrem von alters her angefüllten Hause stets neue Vorräte von kleinen und großen Dingen auf. – Also reden Sie, sprechen Sie! wollen Sie meine Wünsche erfüllen? Ich kann Ihnen sagen, es ist mir zu Mute wie einem, der einen Diamant, den ein Dummkopf weggeworfen hat, liegen sieht und nun fürchtet, es möchte ihn ein anderer finden, eh er selbst zur Stelle ist!«
    Ich mußte innerlich lächeln über dies treffliche Stückchen Weltlauf, das sich so artig selbst berichtigte, wenn Reinholds Pläne gelangen. Gern sagte ich ihm zu, seine Wünsche zu erfüllen, so gut ich es verstände, und er eilte nach der weiter nötigen Verabredung in Hoffnung davon.
    Mir konnte für den leeren öden Tag der Auftrag nur willkommen sein, so neu es mir war, eine Art Kuppelei zu betreiben. »Nachdem du fast zwei Tage lang das hintangestellte Schätzchen eines Don Juans gehütet hast«, sagte ich mir, »kannst du dies Altweibergeschäft dir auch noch gefallen lassen, es paßt zum andern, auch zu dem gefehlten Duell!«
    Mit anbrechender Dämmerung begab ich mich auf den Weg und stand alsbald vor der Stubentüre der Frauen, die in tiefster Stille saßen; denn kein Laut war zu vernehmen. Erst auf ein Anklopfen hörte ich ein mattes »Herein!«
    und als ich eintrat, sah ich in dem halbdunklen Gemache nur die Frau Mutter in ihrem Lehnsessel, den Kopf in beide Hände gestützt. Auf dem Tische vor ihr lag ein kleines Kästchen. Mich erkennend, sagte sie mit heiserer Stimme nichts als: »Ein schönes Fest für uns! Eine schöne Nacht und ein schöner Tag!«
    »Ja«, antwortete ich kleinlaut, »es war etwas verhext und ist manchem wunderlich gegangen!«
    Sie schwieg eine kleine Weile und fuhr dann geläufiger fort: »Eine schöne Wunderlichkeit! Wenn ich den Kopf vor die Türe strecke, so zeigen die Nachbaren mit Fingern auf mich! Eine Gevatterin nach der anderen, die sich sonst nie sehen lassen, ist heute eingedrungen, um sich an der Schande zu weiden! Da schleppt man das Kind zwei Nächte herum und schickt es mir betrunken nach Haus und durch fremde Leute! Und der hübsche reiche Bewerber, dieser Herr Lys, hat natürlich genug an der Aufführung, sagt ab und macht sich davon! Da sehen Sie, was wir alles erlebt haben!«
    Sie zog einen Brief hervor, der unter dem Kästchen lag, und entfaltete ihn; es war aber zu dunkel, um lesen zu können. »Ich will Licht holen!« sagte sie, ging müde und verdrossen hinaus und kehrte mit einem bescheidenen Küchenlämpchen zurück, da es nicht der Mühe wert schien, einem von der schnöden Gesellschaft ein besseres Licht vorzusetzen. Ich las den kurzen Brief, worin Lys mit wenigen Zeilen anzeigte, daß er auf unbestimmte Zeit, vielleicht für immer, abreisen müsse, für gute Freundschaft, die er genossen, herzlich dankte, Glück und Wohlergehen wünschte und die Tochter bat, ein kleines Andenken freundlich anzunehmen. Als ich das gelesen, öffnete die betrübte Frau das Kästchen, in welchem eine ziemlich kostbare Uhr mit feiner Kette glänzte.
    »Ist dies reiche Geschenk«, rief sie, »nicht ein Beweis, wie ernst er gesinnt war, da er sich sogar jetzt noch so edel benimmt, trotz der Schmach, die man ihm angetan?«
    »Sie irren sich!« sagte ich; »niemand hat sich etwas vorzuwerfen, am allerwenigsten das gute Fräulein! Lys hat Ihre Tochter von Anfang an sitzenlassen und ist einer anderen Schönheit nachgelaufen; und weil er von dieser zurückgewiesen wurde, denn es ist, kurz gesagt, die nunmehrige Braut seines Freundes Erikson, hat er sich von hier entfernt. Ich weiß bestimmt, daß er für Ihr Kind verloren war, eh dasselbe aus Kummer und Aufregung unwohl wurde. Und es ist wahrscheinlich ein Glück für das Fräulein, nach meiner Meinung sogar gewiß!«
    Die Frau sah mich groß an; aus dem Hintergrunde des schmalen, aber tiefen Zimmers ertönte ein stöhnender Laut. Erst jetzt gewahrte ich, daß Agnes in einem Winkel neben dem Ofen saß. Ihr Haar war aufgelöst, aber nicht wieder geflochten worden und bedeckte das Gesicht und die Hälfte der gebeugten Gestalt. Überdies hatte sie ein Tuch um Kopf und Schultern geworfen und in das Gesicht gezogen; das letztere drückte sie, vom Zimmer abgewendet, an die Wand und verharrte so ohne Bewegung.
    »Sie getraut sich nicht mehr am

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