Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
Vorschein gelangte und auch eine glückliche Ausführung erleichtert werden mußte. Ich freute mich, den Mann zu guter Stunde gefunden zu haben, und sah mich schon an der Arbeit. Allerdings mußte ich einen frischen Entwurf herstellen, da der Meister nach beendigter Beratung sein Blatt ruhig zusammenfaltete, in die Tasche steckte und mich freundlich meiner dankbaren Gesinnung überließ.
Bei der Ausführung des Bildes suchte ich nun mein Bestes zu tun und hielt mich fleißig und hoffnungsvoll an die Arbeit, bei welcher ich so gut als möglich der Kritik des Meisters folgte. Es wollte mir zwar nachträglich vorkommen, als ob in der Komposition etwas allzu stark aufgeräumt worden sei für meine bescheidene Farbengebung, bei der ich, da es sich endlich um ein ordentliches Vollenden handelte, mit den ersten Regeln zu kämpfen hatte.
Dennoch war ich nach Verfluß einer Anzahl Wochen nicht unzufrieden mit dem Erzeugnis, wie es sich innerhalb meiner vier Wände darstellte; ich ließ es mit einem einfachen, unvergoldeten Rahmen versehen, der den Ernst künstlerischer Gesinnung, die nicht nach Prunkmitteln hascht, ausdrücken sollte und auch meinen Verhältnissen entsprach, und sandte das Bild in die Ausstellungsräume, wo das Neueste wöchentlich aufgehangen und der Verkauf vermittelt wurde.
So war nun der Zeitpunkt da, von welchem ich vor der ländlichen Vormundschaftsbehörde so zuversichtlich gesprochen hatte, der Beginn eines rühmlichen Erwerbes. Als ich am nächsten Sonntage die Säle betrat, in denen eine geputzte Menge sich drängte, gedachte ich deutlich jener stolzen Worte, aber jetzt mit kleinem Mute, da schon zuviel von der Sache abhing. Sobald ich das unscheinbare Bild von weitem bemerkte, getraute ich mich nicht, in der Nähe zu weilen, weil ich mir plötzlich wie ein armes Kind vorkam, das sein aus einem Flöcklein Baumwolle und etwas Flittergold verfertigtes Schäfchen am Weihnachtsmarkte mit den vier steifen Beinchen auf einen trockenen Stein gesetzt hat und ängstlich harrt, ob von den tausend Vorübergehenden einer seinen Blick darauf werfe. Das war nicht Hochmut, sondern das Gefühl, daß ich es als einen glücklichen Zufall preisen müßte, wenn sich ein geneigter Käufer für mein Weihnachtslämmchen fände.
Aber auch von einem solchen Zufall konnte schon keine Rede mehr sein; denn als ich in den nächsten Saal ging, sah ich meine Landschaft, von meinem Ratgeber ausgestellt, mit allem Glanze seines Könnens gemalt, von der Wand leuchten, umgeben von einem Rahmen, der allein mehr kostete, als ich für mein Bild zu fordern wagte. Ein daranhängender Zettel verkündete den bereits erfolgten Ankauf des gelungenen Werkes.
Eine Gruppe von Künstlern unterhielt sich vor demselben. »Woher mag nur das famose Motiv sein?« sagte einer, »er hat schon lange nicht so was Neues gehabt!«
»Dort vorn«, erwiderte ein anderer, der soeben herzugetreten, »dort hängt das Motiv noch einmal, offenbar von einem Neuling, der noch nicht recht zu untermalen und noch weniger zu lasieren versteht!«
»Dann hat er's dem gestohlen, der Spitzbube!« lachten die übrigen und gingen hin, mein Schicksal zu betrachten. Ich blieb vor der siegreichen Arbeit stehen und dachte seufzend: Wer's kann, der macht's! Wie ich aber das Bild länger studierte, glaubte ich zu entdecken, daß die von dem Maler getroffenen Abänderungen wohl für seinen technischen Standpunkt gut und nützlich, dagegen für meine platonische Art eher schädlich gewesen seien. Denn da mir der energische Glanz seines Pinsels nicht zu Gebote stand, so wäre die tiefere Innerlichkeit meines ersten Entwurfes, die nachwirkende Unmittelbarkeit der reichen Naturstudie mit ihrer Formenfülle für den Liebhaber ein etwelcher Ersatz gewesen.
Als ich im Weggehen einen Augenblick vor meinem verlassenen Bilde weilte, überzeugte ich mich, daß es, statt besser zu werden durch den Ratschlag des Meisters, förmlich verarmt, zum Beweis, daß auch in diesen Dingen der Fink nichts von der Drossel lernt.
Nach der bestehenden Ordnung mußte ich mein Werk acht Tage auf der Ausstellung lassen, während welcher keine Seele nach seinem Preise fragte.
Dann holte ich es weg und lehnte es einstweilen an die Wand. Dann ging ich in das nebenliegende Schlafzimmerchen hinein und setzte mich auf meinen dort stehenden Reisekoffer, was meine Gewohnheit war, wenn ich etwas Kritisches zu überlegen hatte, weil der Koffer ein Stück heimatlichen Gerätes war. So verlief der Ausgang meines
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