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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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stibitzende Meister handhabte, ich aber nicht bewältigen konnte, sondern um ein Herabsteigen auf eine tiefere Stufe, wo der Glanz der gemalten Teebretter und Dosendeckel beginnt. Freilich nicht ganz so tief wollte ich gehen; ich dachte immerhin einen gewissen Wert zu verarbeiten, dabei aber auf die Urkunde und den rohern Geschmack des untern Marktes Rücksicht zu nehmen mit allerhand billigen Effekten. Aber so eifrig, ja ängstlich ich auch in meinen Mappen suchte, so dünkte mich doch alles, was ich in die Hand bekam, jedes Studienblatt, jeder kleine Entwurf zu gut dafür, es war zu schade darum.
    Wollte ich meine früheren Arbeitsfreuden nicht gewaltsam selbst verderben, so mußte ich noch tiefer gehen und eigene Erfindungen machen, an denen nichts verlorenging.
    Indem ich dieses genauer bedachte, trat mein Vorhaben in ein sehr ungünstiges Licht; ich ließ mutlos das Blatt sinken, das ich eben hielt, und setzte mich wieder auf den Reisekoffer. Das sollte also das Ende so langer Lehrjahre und die Erfüllung so großer Hoffnungen und zuverlässiger Worte sein! Der Selbstausschluß vom Gebiete gebildeter Kunst und ein unrühmliches Verschwinden in der Dunkelheit, wo arme Teufel mit Nichtswürdigkeiten das Leben fristen! Ich bedachte nicht einmal, daß ich ja mit einer ernsthaften Arbeit auftreten gewollt, ein diebischer Routinier mich aber des Erfolges beraubt hatte; ich suchte nur den Punkt meiner Fehlbarkeit, weil ich zu hochfahrend war, mich für einen Pechvogel zu halten, und endigte, ohne klar zu sein, mit einem Seufzer nach Aufschub, den ich mir schon früher gewährt und nutzlos vertan hatte, soweit es den nächsten notwendigen Zweck betraf.
    Da saß ich nun, den Kopf abermals in die Hände begraben, und schweifte mit den Gedanken umher, bis sie in der Heimat anlangten und mir von dort aus die neue Sorge zusandten, daß die Mutter meine Lage ahnen und sich darüber bekümmern könnte. Ich hatte ihr sonst regelmäßig und in einem heitern Tone geschrieben, ihr allerlei von den fremden Sitten und Gebräuchen erzählt, die ich sah, und manche Schwänke und Schnurren eingeflochten, um sie aus der Ferne zum Lachen zu bringen und wohl auch mit meiner Fröhlichkeit großzutun. Sie antwortete mit treulichen Berichten über den Weltlauf zu Hause, und jeden Spaß vergalt sie mit einer Hochzeit oder einem Todesfall, mit dem Schiffbruch einer Haushaltung oder dem verdächtigen Glücke einer anderen. Auch der Oheim war gestorben, und die Kinder hatten sich zerstreut im verworrenen Getümmel der Heerstraße und zogen schon ihre Kinderkärrchen hinter sich her, gleich den Juden in der Wüste. Seit einiger Zeit waren jedoch meine Briefe seltener und einsilbiger geworden; die Mutter schien sich zu scheuen, nach dem Grunde zu fragen, wofür ich ihr dankbar war, da ich doch nichts Rechtes zu melden wußte. Seit einigen Monaten hatte ich gar nicht mehr geschrieben, und sie hielt sich auch still. Als ich jetzt so in der Stille saß, klopfte es sachte an der Türe des äußeren Zimmers; ein Kind kam herein und brachte mir einen Brief, der Schrift und Siegel der Mutter zeigte.
    Sie wollte die Ungewißheit oder vielmehr die Furcht nicht länger ertragen, daß es nicht nach Wunsch und Hoffnung mit mir stehe; sie verlangte daher Aufschluß über meine Umstände und Aussichten, besorgte, daß ich bereits Schulden habe, weil sie von keinem Erwerb wisse und das kleine Erbe doch lange aufgebraucht sei. Für den Fall der Not habe sie einige Ersparnisse am Überflüssigen gemacht, die jetzt bereitlägen, ihren Dienst zu tun, wenn ich nur offen berichten wolle.
    Das Kind, welches den Brief gebracht, stand noch da, als ich ihn schnell gelesen; ich hatte es beim Zeichnen des Jesuskindes in jener christlich-mythologischen oder geologischen Landschaft als Modell benutzt, um ihm die nötigsten Verhältnisse abzusehen, und da das Bild durch mein Herumsuchen zufällig in den Vordergrund geraten, so stand das Knäbchen vor demselben und sagte: »Das bin ich!« indem es den Finger auf das Himmelskind legte. Durch diese anmutige Fügung erhielt der Vorgang einen übernatürlichen Anklang; der kleine Träger der guten Botschaft erschien gewissermaßen als ein Abgesandter der göttlichen Vorsehung selbst, und sowenig ich an ein Wunder, etwa in Gestalt eines allgütigen Scherzes derselben, glaubte, gehe mir das kleine Abenteuer doch über die Maßen wohl und machte mir den mütterlichen Brief doppelt erquicklich. Es ist nicht anders zu sagen genau

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