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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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geben und nichts schuldig sein will. Bedarfst du in der Not das Vorbild und Ideal eines redlichen Schuldenmachers, so denke an den spanischen Cid, welcher den Juden eine Kiste voll Sand versetzte und ihnen sagte, es sei gutes Silber darin! Sein Wort war allerdings so gut wie Silber; und doch welche Verdrießlichkeit, wenn ein Neugieriger oder Mißtrauischer vor der Zeit die Kiste geöffnet hätte! Dennoch wäre es derselbe Cid gewesen, dessen Leiche am Schwert ruckte, als ein Jude sie am Barte zupfen wollte.«
    Diese großen Worte, mit denen ich mir den Rat eines weisen Vaters ersetzte, regten mein Gewissen doch so kräftig an, daß ich Anstalt traf, die Tore des Erwerbes aufzutun. Ohne längeres Säumen machte ich mich an den Entwurf eines Landschaftsbildes von bescheidenem Umfang, dessen Verkauf nicht von vornherein unwahrscheinlich war. Zugrunde lag ein ansehnliches Studienblatt aus der Heimat, welches einen gerodeten Bergwald darstellte. Von diesem zog sich ein stehengebliebener Saum von Eichbäumen einen höhern Grat entlang und stieg auf demselben ins Tal herunter an einen schäumenden Waldbach, wie ein Zug schreitender Riesen, die sich unten sammeln und Rat halten. Als ich mit dem Entwurfe fertig war, fühlte ich das Bedürfnis, die Ansicht eines Kunstgenossen einzuholen, um nichts zu unterlassen, was ein Gelingen herbeiführen konnte. Denn der Ernst der Sache wurde mir mit jedem Striche fühlbarer.
    Glücklicherweise begegnete ich zu dieser Zeit einem eben im Flor stehenden Landschafter, mit dem ich in Eriksons Gesellschaft ein paarmal zusammengetroffen und auf einem gewöhnlichen Bekanntschaftsfuße stand.
    Der Mann besaß eine sichere und wirksame Technik; er brachte sozusagen keinen Pinselstrich zuviel oder zuwenig an, und jeder leuchtete mit ungebrochener Kraft; also waren auch seine Bilder überall gern gesehen, und er kam mit solchem Fleiße der Nachfrage entgegen, daß er schon begann, Mangel an Gegenständen zu empfinden, und mehr Gemälde lieferte, als er Ideen dazu im Vorrat besaß. Er wiederholte sich öfter und war sogar um einzelne Wolken-oder Erdformen verlegen, da er alle schon ein oder mehrere Male irgendwie gebraucht hatte, obschon er noch nicht vierzig Jahre alt war.
    Denn er besaß eine stattliche Frau und eine Schar Kinder, die ernährt sein wollten, und da er bei dieser Bemühung einmal im glücklichen Schusse war, so gedachte er gleich auch wohlhabend zu werden. Wenn man für die alten Tage sorgen will, pflegte er zu sagen, so muß man das in den jungen Tagen tun. Auch sei es ihm unmöglich, die einzelnen seiner Kinder in der Armut zu denken; darum müsse er sie alle dagegen schützen und zugleich hiedurch bewirken, daß sie einstmals für ihre Kinder ebenso gesinnt seien; so nähmen die Dinge auf lange hin ihren guten Verlauf, einzig infolge eines entschlossen angewandten Grundsatzes.
    Er fragte mich, was ich treibe, und ich benutzte die Gelegenheit, ihn um seinen Rat zu ersuchen. Bereitwillig kam er zu mir und sah etwas überrascht meine Arbeit oder vielmehr die ihr zugrund liegende Naturstudie. Die Bäume, als die aus einem ehemaligen Hochwalde ausgeschnittenen Überbleibsel, zeigten alle so eigentümlich malerische Formen, wie man sie nicht leicht vorfindet oder zum zweiten Male antrifft, und die lichte Ordnung, in welcher sie sich besonders über die Höhe hin bewegten, war nicht weniger original. Da überdies die Eichen seither vermutlich auch niedergelegt und in ihrer Entlegenheit von einem andern Zeichner kaum wiedergegeben worden, so erhielt der Gegenstand der Studie wie des entworfenen Bildes ohne mein Verdienst den Charakter einer wertvollen Seltenheit. Dieser Umstand mochte den erfahrenen Landschafter anregen, sich lebhaft mit dem Entwurfe zu beschäftigen. Er begann erst mit Worten die zu große Fülle desselben, die sich selbst im Wege stand, zu sichten, das Überflüssige oder Hindernde auszusondern und das Wesentliche zusammenzurücken. Dann ergriff er, von Eifer hingerissen, Stift und Papier und brachte, fortwährend sprechend, mit fester Hand, seine Meinung so trefflich in sichtbare Gestalt, daß binnen einer halben Stunde eine Meisterskizze fertig war, die in jeder Sammlung guter Handzeichnungen ihren bestimmten Rang einnehmen konnte. Ich sah freilich mit geheimem Bedauern mehr als ein sinniges und frommes Motiv, das ich nicht hatte opfern wollen, verschwinden, bemerkte aber auch mit Wohlgefallen, wie gerade dadurch eine neue stärkere Wirkung des übrigen zum

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