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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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allein vertraute.
    Mit eherner Treue hielt sie an ihrer Weise fest; weder durch Sonnenblicke der Fröhlichkeit noch durch düsteres Unbehagen, weder im Scherz noch im Ernste ließ sie sich verleiten, auch die kleinste unnötige Ausgabe zu machen.
    Sie legte Groschen zu Groschen, und wo diese einmal lagen, waren sie so sicher aufgehoben wie im Kasten des eingefleischten Geizes. Mit der Ausdauer des Geizes sammelte sie Geld, aber nicht zur Augenlust; denn das Gesammelte beschaute sie niemals und überzählte es nie, wenigstens nicht zum zweiten Mal, und noch weniger stellte sie sich vor, was alles dafür herbeizuschaffen und zu genießen sei.
    Ich indessen war seit geraumer Zeit mit den Mitteln an ein Ende gekommen, die zu meiner Ausbildung bestimmt gewesen. Schon saß ich in einem ordentlichen Gewebe von Schuldbeziehungen gefangen und war ohne alle Schwierigkeit hineingeraten, und zwar durch den studentischen Verkehr, der sich von der Lebensart der Kunstjünger wesentlich unterscheidet. Diese sind von Anfang an auf die Benutzung des Tageslichtes durch unausgesetzte Handübung angewiesen; das bringt allein schon einen andern wirtschaftlichen Zustand mit sich, welcher den guten alten Handwerkssitten verwandt ist.
    Während meines Umganges mit dem reichen Lys und dem an sorgloses Leben auch gewöhnten Erikson war ich meiner bescheidenen Verhältnisse nie innegeworden. Wir sahen uns immer nur des Abends, und da lebten sie in der Regel nicht anders, als ich und ähnliche wenig bemittelte Leute auch leben durften; von einem gegenseitigen Anreize zu schädlichen Ausgaben war nicht die Rede, und was gute Laune oder ein Fest etwa an Ausnahmen herbeiführten, störte niemals in nachhaltiger Weise das Gleichgewicht.
    Der Student dagegen lebt einstweilen und bis zum Tage des Gerichtes in jedem Sinne unter dem Panier der Freiheit. Er beansprucht, selber in jugendlichem Vertrauen schwärmend, ein außerordentliches Vertrauen; Unfleiß und Geldmangel gereichen ihm nicht zum Nachteil, vielmehr werden beide durch besondere Lieder gefeiert, sogar das Vertun der letzten Habe, das Hänseln der Gläubiger in alten und neuen rituellen Gesängen gepriesen. Ist alles dies bei der heutigen besseren Sitte auch mehr euphemistisch gemeint, so ist es doch immer noch das Wahrzeichen von Freiheiten, die eine gewisse allgemeine Redlichkeit zur Voraussetzung haben.
    Da ich mich eines Morgens ohne Vorbedacht und Willen von einigen Schulden belästigt sah, stellte ich nachträgliche Betrachtungen über das Vorkommnis an und setzte mich mit demselben ungefähr folgendermaßen auseinander:
    Hätte ich einen Sohn mit guten Lehren zu versehen, so würde ich zu ihm sagen: »Mein Sohn, wenn du ohne Not und sozusagen zu deinem Vergnügen Schulden machst, so bist du in meinen Augen nicht sowohl ein Leichtsinniger als vielmehr eine niedrige Seele, die ich im Verdachte eines schmutzigen Eigennutzes habe, einer Selbstsucht, die andere unter dem Deckmantel traulicher Hilfsbedürftigkeit absichtlich um das Ihrige bringt. Wenn aber ein solcher von dir borgen will, so weise ihn ab; denn es ist besser, du lachest über ihn als er über dich! Wenn du hingegen in Not gerätst, so borge, soviel es genaugenommen sein muß, und ebenso diene deinen Freunden, ohne zu rechnen, und alsdann trachte für deine Schulden aufzukommen, Verluste verschmerzen oder zu dem Deinigen gelangen zu können, ohne zu wanken und ohne schimpflichen Zank. Denn nicht nur der Schuldner, der seine Verpflichtungen einhält, sondern auch der Gläubiger, der ohne Zank dennoch zu dem Seinigen kommt, beweist, daß er ein wohlbestellter Mann ist, welcher Ehrgefühl um sich verbreitet. Bitte keinen zweimal, der dir nicht borgen will, und laß dich ebensowenig drängen; denke immer, daß dein guter Ruf an die Bezahlung von Schulden geknüpft, oder vielmehr denke das nicht einmal, denke an gar nichts, als daß soundso viel zu bezahlen sei im Leben oder im Tode. Kann dir aber ein anderer das gegebene Versprechen nicht halten, so richte nicht gleich über ihn, sondern überlaß lieber das Urteil der Zeit.
    Vielleicht bist du noch einmal froh, wenn er dir als Sparbüchse gedient hat.
    Nach dem Maße aber, in welchem du dich in Verpflichtungen begibst und die in dir selbst liegenden Kräfte dabei schätzest, wird es sich zeigen, was du wert bist. Du wirst die Abhängigkeit unsers Daseins menschlich fühlen gelernt haben und das Gut der Unabhängigkeit auf eine edlere Weise zu brauchen wissen, als der nichts

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