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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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ganz in Farben, Gold und grünes Laub gehüllt hatte, daß es von allen Enden flatterte und schimmerte. Durch die Straßen wogte eine ungezählte Menschenmenge, glänzende Reiterzüge, Fußvolk, Zünfte, Korporationen und Brüderschaften mit allen möglichen seltsamen Fahnen bewegten sich dem Tore zu, und außerhalb desselben, das ich mit durchschritt, ergoß sich dieses Freudenheer nach dem Weichbilde hin auf das freie Feld, in eine Volksmenge hinein, die es schon besetzt hielt, da Bauerschaften, ländliche Schulen, Schützen aus weitem Umkreise herangezogen waren. Dazwischen drängte sich ebenso zahlreich das zuschauende Publikum, mit welchem ich mich schieben ließ.
    Plötzlich ertönte Geschützdonner, Glockengeläute über der weitgedehnten Stadt; Musikchöre, Trommelschlag und der betäubende Zuruf des Volkes verkündeten, daß die erwartete Fürstin herannahe. Ich sah im Glanze der Nachmittagssonne die Schwerter der voranrasselnden Reiter blinken und darauf in einem Blumenwagen das junge Frauenwesen vorüberschweben über den Köpfen der wogenden Menge, wie in einem Schiffe, das über ein rauschendes Meer gleitet, da ich weder Pferde noch Räder sehen konnte. Erst erfreute mich das ungeheuere Geräusch, dann aber belästigte es mich als etwas Fremdes und erweckte meine republikanische Eifersucht gegen die Macht eines monarchischen Lebens, mit dem ich nichts zu schaffen hatte, an welchem ich nichts mehren und nichts mindern konnte.
    Freilich hast du geschafft und gemehrt! rief in mir die Stimme des politischen Gewissens, du hast seit Wochen davon gelebt und trägst sogar den Sündenlohn noch in der Tasche!
    So hab ich wenigstens nicht auf diese Untertanen geschossen, erwiderte die Selbstbeschönigung, wie so oft die Schweizergarden im Fürstendienste getan haben; und in diesem Augenblicke stehen noch vollzählige Regimenter am Fuße von Thronen, die schlechter sind, als der hier gefeiert wird!
    Die Vorstellung der Schweizerregimenter in fremden Diensten brachte wieder eine andere Phantasie hervor; ich sah im Geiste die mehreren Tausende der von mir gesprenkelten Fahnenstecken gleich einem unabsehbaren Zaune aufgestellt und mich als den Feldhauptmann der hölzernen Armee mitten vor derselben stehend, den ledernen Geldbeutel in der Hand. Der Vergleich dieses Ehrenpostens mit demjenigen eines weiland schweizerischen Marschalls im französischen oder hispanischen Heere schien zu meinen Gunsten auszufallen, da wenigstens kein Tropfen Blut daran klebte. Mein Bewußtsein erheiterte sich wieder, sprach sich frei, und ich marschierte an der Spitze des Gewalthaufens meiner unsichtbaren Stangengeister durch die langsam zurückflutenden Massen nach der Stadt zurück.
    Gemächlich wandelte ich nun durch die geschmückten Straßen und besah mir alle Zierwerke und Veranstaltungen genauer; dann ging ich mit dem sinkenden Abend wieder hinaus, wo alle Trinkstätten und Tanzgärten angefüllt waren. Ich hielt mich aber nirgends auf, bis ich mit aufgehendem Monde zu einer mit hundertjährigen Silberpappeln bewachsenen Flußinsel kam, in deren Mitte ein volkstümliches Zech-und Tanzgebäude hell erleuchtet war und von Geigen, Pauken und Trompeten tönte. Da suchte ich ein einsames Plätzchen unter den Bäumen und möglichst nah am Wasser, dessen fließende Wellen im Mondlichte glänzten. Andere hatten jedoch den gleichen Geschmack, und so ging ich vergeblich an manchen Tischen vorbei; zuletzt mußte ich mich entschließen, an einem Platz zu nehmen, an welchem schon Leute saßen, einige junge Frauenzimmer mit ihren Freunden oder Verwandten. Das Halbdunkel der hohen Bäume war durch eine bunte Papierlaterne etwas erhellt, aber nicht genug, daß das mondbeschienene Wasser um seine freundliche Wirkung gekommen wäre und das Gestirn matter durch die liste gefunkelt hätte.
    Als ich, leicht den Hut rückend, mich niederließ, versicherten mich zwei der Mädchen, die zunächst saßen, mit schalkhaftem Lächeln, es sei für einen guten Bekannten und Arbeitsgenossen Raum genug vorhanden, und erst jetzt erkannte ich in ihnen zwei der Fahnennäherinnen aus Schmalhöfers Laden. Sie hatten sich gar anmutig herausgeputzt, und ich war überrascht, so hübsche Geschöpfe in ihnen zu finden, die ich während der ganzen Zeit kaum angesehen und gegrüßt, wenn ich durch den Laden in das finstre Loch ging oder aus demselben kam. Die ältere von ihnen stellte mich der Gesellschaft, welche aus jungen Arbeitsleuten verschiedener Profession zu bestehen

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