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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Laune dazwischen herum, nahm Geld ein, zählte Fahnen, und ab und zu kam er in das Finsterloch herein, wo ich mutterseelenallein in dem blassen Lichtstrahl der Mauerritze stand, den weißen Stab drehte und die ewige Spirale zog.
    Er klopfte mir dann etwa sachte auf die Schulter und flüsterte mir ins Ohr: »So recht, mein Sohn! Dies ist die wahre Lebenslinie; wenn du die recht akkurat und rasch ziehen lernst, so hast du vieles erreicht!« In der Tat fand ich in dieser einfachen Beschäftigung allmählich einen solchen Reiz, daß mir die in dem Loch zugebrachten Tage wie Stunden vergingen. Es war die unterste Ordnung von Arbeit, wo dieselbe ohne Nachdenken und Berufsehre und ohne jeglichen andern Anspruch als denjenigen auf augenblickliche Lebensfristung vor sich geht; wo der auf der Straße daherziehende Wanderer die Schaufel ergreift, sich in die Reihe stellt und an selbiger Straße mitschaufelt, solang es ihm gefällt und das Bedürfnis ihn treibt.
    Unablässig zog ich das gewundene Band, rasch und doch vorsichtig, ohne einen Klecks zu machen, einen Stab ausschießen zu müssen oder einen Augenblick durch Unschlüssigkeit oder Träumerei zu verlieren, und während sich die bemalten Stäbe unaufhörlich häuften und weggingen, während ebenso beständig neue ankamen, wußte ich doch jeden Augenblick, was ich geleistet, und jeder Stecken hatte seinen bestimmten Wert. Ich brachte es so weit, daß der ganz verblüffte Joseph mir schon am dritten Abend nicht weniger als zwei Kronentaler als Tagelohn auszahlen mußte, mehr, als er mir für die beste Zeichnung gegeben hatte. Erst sperrte er sich dagegen und schrie, er habe sich verrechnet, es sei nicht die Meinung gewesen, daß ich so viel an dem Zeug verdienen solle!
    Ich dagegen verstand keinen Spaß und beharrte auf der Abrede mit der Behauptung, die erworbene Fertigkeit ginge ihn nichts an und er solle froh sein, wenn er dank derselben so viele Fahnen liefern könne; genug, ich fühlte mich hier ganz auf einem sichern Grunde und schüchterte das Männchen dermaßen ein, daß es sich schleunig zufriedengab und mich aufforderte, nur so fortzufahren, die Sache sei bestens im Gange.
    Er hatte auch einen gewaltigen Zulauf und versorgte einen guten Teil der Stadt mit seinen Huldigungspanieren. Ich aber drehte unverdrossen den Stab und durchwanderte mit meinen Gedanken auf der unablässig sich abwickelnden blauen Linie eine Welt der Erinnerung und der Ausschau in die Zukunft. Ich hatte nicht im Sinne, zugrunde zu gehen, und konnte doch nicht den Ausgang sehen, der ja unzweifelhaft vorhanden war, da der Glaube an eine göttliche Weltordnung mir nach wie vor im Blute wohnte, wenn ich mich auch in acht nahm, abermals die Angel nach einem kleinen Gebetswunder auszuwerfen. Zuletzt begnügte ich mich mit dem Bewußtsein der unmittelbaren Sicherheit, daß ich für diesen und eine Reihe von Tagen ja zu leben habe. Ein ledernes Geldbeutelchen, das ich mir nach Art der Fuhr-und Schiffleute angeschafft, hervorziehend, überzeugte ich mich, wie der bescheidene Schatz von Silberstücken, der wohlverschnürt darin ruhte, sich zusehends vermehrte.
    Bis jetzt hatte ich das Geld immer offen in der Westentasche getragen; als ein angehender Geldhamster nahm ich mir nun vor, nie mehr ohne Beutel zu wirtschaften, und setzte eifrig meine ruhmlose und zufriedene Arbeit fort. Am Abend suchte ich dann irgendein entlegenes Gasthaus, setzte mich unter unbekanntes Volk und verzehrte ein spärliches Nachtmahl, welches ich, in meinem Beutel herumklaubend, bedächtig und vorsichtig bezahlte als einer, der weiß, woher es kommt.
    Endlich war indessen der Einzugstag herangerückt. Noch in der letzten Stunde kamen einzelne ärmere oder knauserige Leute, ein Fähnchen oder zwei nach reiflichem Entschlusse zu holen, und feilschten um den Preis; dann wurde der Laden still und leer, der Alte zählte seine Einnahme, und vollauf damit beschäftigt, forderte er mich auf hinauszugehen, den festlichen Einzug der künftigen Herrscherin mit anzuschauen und mir gütlich zu tun.
    »Sie machen sich wohl nichts daraus, wie?« fügte er hinzu, als er sah, daß ich keine besondere Lust bezeigte; »sehen Sie, so wird man gesetzt und klug!
    Schon weiser geworden in der kurzen Zeit, bei der alten Feueresse! So muß es kommen! Aber geht dennoch ein bißchen hinaus, Lieber, und wäre es nur, um die schöne Luft und die Sonne zu genießen!«
    Das fand ich billig und ratsam; ich durchstrich die Stadt, die sich mit einem Schlage

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