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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Wohlgefühl erwärmt, unversehens so gut untergebracht zu sein. Ich lud die artige Hulda daher ein, mir das Traktament zu überlassen; allein sie tat es durchaus nicht anders als auf gemeinschaftliche Kosten, und als das bestellte Essen anlangte, holte sie ein anständig versehenes Täschchen hervor und ruhte nicht, bis ich ihren Anteil hinnahm. So spiesen wir denn vertraulich und waren guter Dinge; nur wollte das anziehende Wesen nicht von den Kartoffeln nehmen, die ich zu den Karbonaden, die sie gewünscht, bestellt hatte.
    Vielmehr sagte sie, es scheine, daß ich noch nie einen Schatz besessen, ansonst mir bekannt wäre, daß Arbeitsmädel, wenn sie feiertags zum Vergnügen gehen, keine Kartoffeln essen wollen. Wie ich das wissen könne, fragte ich, und was denn das für ein Geheimnis sei?
    »Weil sie die Woche hindurch sich fast nur von Kartoffeln nähren und davon genug bekommen!« erklärte sie. Ich drückte mein Mitleid aus, ohne zu gestehen, daß ich schon schlechtere Tage gesehen; denn das hätte mir ihre Achtung schwerlich erworben, wie ich wenigstens dachte.
    Inzwischen war von der übrigen Gesellschaft bald das eine, bald das andere Paar zu einem Tanze in den Saal gegangen und wieder erschienen, wodurch unser Tisch abwechselnd leer oder wieder bevölkert wurde. Unerwartet kehrten jetzt zwei Paare in höchster Aufregung zurück und setzten am Tische einen Streit fort, der im Saale ausgebrochen sein mochte. Das eine der Mädchen weinte, die andere schalt, und die dazugehörigen jungen Männer hatten zu tun, den Sturm zu besänftigen und allerlei Angriffe von sich selbst abzuhalten.
    »Da ist die Geschichte wieder los!« sagte Hulda; sich dicht an mich schmiegend, erzählte sie mir mit gedämpfter Stimme, das sei eine Liebschaft übers Kreuz. »Die eine hier hatte nämlich früher den andern zum Schatz und die andere diesen jetzigen; dann haben sie alle vier, hast du nicht gesehen, gewechselt, und es hat diese jenen und jene diesen zum Liebsten. Aber alle Fronfasten gibt's ein jammervolles Gewitter, daß beinah die Welt untergeht.
    Ein so überzwerches vierspänniges Zeug tut halt nicht gut, es dürfen nur zwei bei einer Sach sein!«
    »Aber warum gehen sie denn zusammen, anstatt sich auszuweichen?«
    »Das weiß Gott warum! Immer laufen's an die gleichen Orte hin und hocken beieinander, wie wenn sie behext wären!«
    Ich war ebenso verwundert über das Phänomen wie Über die Reden meiner blutjungen Freundin. Der Streit, der sich um unverständliche, scheinbar nichtige Dinge drehte, wurde zuletzt so erregt, daß das dritte Liebespaar, welches im Frieden lebte, sich einmischte und mit Mühe einen Waffenstillstand zuweg brachte. Die Krüge, aus denen je zwei der Leutchen tranken, wurden neu gefüllt. Die streitbaren Mädchen schmollten jedoch nicht nur unter sich, sondern auch mit ihren Geliebten. Die Unparteiischen schritten abermals ein, und es wurde auf Huldas Vorschlag beschlossen, die zwei Paare sollten zur gewaltsamen Bezwingung aller Eifersucht und Unfriedfertigkeit einmal wieder jedes mit dem frühern Gesponsen tanzen und keines dürfe dazu scheel sehen.
    Das wurde denn auch ausgeführt; die ausgetauschten Paare kamen nach einem langen Tanze zurück, jedes der Mädchen am Arme seines alten Genossen; allein statt sich nun wieder zu trennen, nahmen beide neu ausgewechselten Parteien ihre Sachen zusammen und zogen, ohne ein Wort zu sagen, auf verschiedenen Wegen von dannen. Ganz verblüfft blickten wir Zurückbleibenden ihnen nach, bis sie verschwanden, und brachen dann in ein helles Gelächter aus. Nur Hulda schüttelte den Kopf und sagte: »Das Lumpenvolk!« In der Tat hatten sie in dem Tanze nicht die gehoffte sittliche Ausgleichung, sondern lediglich einen neuen Anreiz ihrer Willkür gefunden und mochten sich nun beeilen, nach so langer Trennung die Lustbarkeiten einer Wiedervereinigung zu genießen.
    Bevor ich mich von meinem Erstaunen über die freien Sitten dieses einfachen Völkchens erholt hatte, fühlte ich die weiche Hand des jungen Mädchens auf der Schulter, das endlich auch einen Tanz zu tun begehrte.
    Obgleich ich nicht daran gedacht, dergleichen Belustigung zu suchen oder zu finden, mußte ich dennoch willfahren, da sie das als selbstverständlich ansah, auch Hut und Shawl schon der Freundin anvertraute, die mit ihrem Gesellen noch da war. Erst im Lichte des Tanzsaales, in der freien Bewegung sah ich vollends, wie hübsch sie war. Aber bald sah ich sie nicht mehr, sondern fühlte nur noch

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