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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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schien, als Standesgenossen vor; denn sie hatten auch von dem Alten meinen Namen erfahren. Man hielt mich offenbar für einen wackern Tünchergesellen; die jungen Männer boten mir treuherzig ihre Bierkrüge dar, ich tat Bescheid, versah mich selbst mit einem Kruge, und froh, nach langer Einsamkeit unter Menschen zu sein, überließ ich mich der einfachen Geselligkeit, ohne meinen etwas höhern Rang zu verraten, was mir auch übel angestanden hätte.
    Der kleine Kreis bestand aus drei Liebespaaren, an der Art kenntlich, wie sie sich unbefangen umfaßt hielten. Zwischen Hoffnung und Furcht schwebend, dauernd verbunden oder wieder getrennt zu werden, verloren sie keine Zeit, sich ihrer Gegenwart zu versichern. Ein viertes Mädchen schien überzählig zu sein; denn es saß ohne Galan zunächst an meiner Seite, vielleicht wegen zu großer Jugend, da es höchstens siebzehn Jahre alt sein mochte. Ich hatte die glänzenden Augen der Kleinen im Trödlerladen schon bemerkt, weil sie immer aufgeblickt, wenn man durchging. Jetzt sah ich auch ihre außerordentlich feine Gestalt, in einen ziemlich feinen weißen Sonntagsshawl gehüllt; auf dem Tische lag die zierlichste kleine Hand, deren zarte Fingerspitzen freilich von unzähligen Nadelstichen eine rauhere Haut bekommen hatten, und rechnete man hinzu das weiche braune Haar, das unter dem luftigen Hütchen hervorquoll, sowie das Licht des jungen Busens, wenn das helle Tuch sich einen Augenblick lüftete, so erschien hier im Schatten der Armut ein Schatz von Reizen verborgen, wie ihn mancher Reichtum vergeblich wünschte. Selbst die Blässe des Gesichtes, deren ich mich zu erinnern glaubte, diente jetzt einem Lichtspiele zur Unterlage, indem bald der rötliche Schimmer der im Luftzuge schwankenden Papierlaterne, bald der silberbläuliche Abglanz des Flusses darüberflog und zusammen mit dem Lächeln ihres Mundes, wenn sie sprach, ein geheimnisvolles Leben und Weben bildete. Zum Überflusse hieß sie noch Hulda.
    Ich fragte sie, ob sie wirklich so heiße oder ob sie den Namen bloß angenommen habe, wie das bei Frauenzimmern des arbeitenden und dienenden Standes, dem wir angehörten, zuweilen vorkomme?
    »Nein«, erwiderte sie, »ich habe den Namen nebst vier andern von meinen Eltern bei der Taufe erhalten. Es sind arme Schustersleute gewesen, die bei meiner Taufe weder einen Schmaus auszurichten noch solche Paten herbeizuziehen vermochten, von denen irgendein Angebinde zu hoffen war.
    Weil sie nun dennoch einen gewissen vornehmen Tick besaßen, so statteten sie mich dafür mit fünf Namen aus. Ich habe sie aber alle abgeschafft bis auf den kürzesten; denn da unsereins immer zu den Behörden laufen muß, um seine Beschreibung in Ordnung zu erhalten, so wurde ich von den Beamten jedesmal angefahren, ob meine Namen bald zu Ende seien oder ob sie vielleicht einen neuen Bogen anbrechen müßten, um sie alle aufzuschreiben.«
    »Und Sie haben doch den schönsten von den fünf Namen behalten?« sagte ich, von dem Ernste belustigt, mit welchem sie die Geschichte erzählte.
    »Nein, nur den kürzesten! Die andern waren alle länger und prachtvoller!
    Aber Sie tragen ja zuviel Geld bei sich herum, das muß man nicht tun!«
    Ich hatte meinen wohlgerundeten Geldbeutel auf den Tisch gestellt, um einen neuen Krug Bier zu zahlen, den man mir brachte, da ich durstig gewesen und mit dem ersten schon fertig geworden.
    »Das ist mein Verdienst von den Fahnenstangen«, sagte ich, »ich werd's schon versorgen, wenn ich's nicht brauche!«
    »Himmel! So viel haben Sie bei dem Alten verdient? Und ich hab's kaum auf vierzehn Gulden gebracht!«
    »Ich hab es vom Stück, da kann man sich an den Laden legen und dem Patron die Nase lang machen!«
    »Hört, Leute, der hat's vom Stück!« rief sie den anderen zu, »der verdient ein Geld! Wo stehen Sie eigentlich in Arbeit? oder sind Sie für sich?«
    »Ich bin augenblicklich ohne Meister und denke es zu bleiben, solang es geht.«
    »Es wird gewiß gehen, denn fleißig sind Sie ja von früh bis spät, das haben wir gesehen und oft zueinander gesagt! Wenn er nur nicht so hochmütig wäre, meinten die anderen, aber ich hielt dafür, Sie seien eher traurig oder langweilig. Haben Sie denn schon zu Nacht gegessen?«
    »Noch nicht! Und Sie?«
    »Auch noch nicht! Wissen Sie was, da ich allein bin, so könnten wir zusammenlegen und miteinander essen, dann stellen wir auch ein Pärlein vor!«
    Ich fand diesen Vorschlag sehr angenehm und klug und wurde von einem

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