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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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fest und andauernd, daß ich erst um die Mitte des Vormittags munter wurde. Meine Kleider waren in gutem Zustande längst geräuschlos in das Zimmer gebracht worden; als ich sie erblickte, pries ich den Handel, den ich mit dem freundlichen Hebräer abgeschlossen. So gibt der Augenblick den Dingen stets ihren besondern Wert: der geringe Ertrag meiner Arbeit erschien mir jetzt in Gestalt eines anständigen Kleides willkommener, als mir die doppelte oder vierfache Summe zu anderer Zeit gewesen wäre.
    Während ich mit dem Anziehen beschäftigt war, klopfte jemand an der Türe. Auf mein »Herein!« öffnete sich dieselbe weit, und ein großer schöner Mann stand darin, die Klinke in der Hand, das Gemach samt seinem Insassen aufmerksam überschauend. Er trug einen damals noch ungewöhnlichen Vollbart, der wie das Haupthaar leicht angegraut war, und einen grauen kurzen Jagdrock mit Knöpfen von Hirschhorn.
    »Guten Tag! lassen Sie sich nicht stören!« sagte er mit frischem kräftigem Klang der Stimme; »ich will nur sehen, wie es meinem Gaste geht!«
    »Es geht mir ja sehr wohl, Herr Graf, insofern ich die Ehre habe, in Ihnen wirklich den Herren des Hauses zu begrüßen!« antwortete ich etwas verlegen, indem ich den Kamm weglegte, den ich gerade handhabte, und mich verbeugte, so gut ich es verstand.
    »Bitte, fahren Sie fort in Ihrem Geschäfte, und tun Sie nicht anders, als wenn Sie zu Haus wären! Zuerst aber seien Sie mir willkommen!«
    Er trat mit diesen Worten vollends in das Zimmer und schüttelte mir die Hand, und von dem Augenblick an verlor ich ihm gegenüber jede Befangenheit, denn in seiner Hand, seinem Blicke und seiner Stimme kündigte sich der freie Mensch an, der über den zufälligen Dingen steht.
    »Nun sagen Sie aber«, rief er lebhaft, indem er sich ans offene Fenster setzte, um mir Raum zu lassen, »sind Sie in der Tat unser Mann, unser Heinrich Lee, der auf den Zeichnungen überall geschrieben steht? Ihre Bestätigung würde mir das größte Vergnügen machen. Ich habe nämlich in früheren Jahren selbst dergleichen getrieben, gab es aber wegen zu großer Ungeschicklichkeit auf; dagegen freute ich mich jedesmal, wenn es mir gelang, das eine und andere nach der Natur geschaffene Blatt zu erwerben, was indessen nicht oft vorkommt. Nichts konnte mir daher willkommener sein als der Besitz sozusagen eines ganzen derartigen Vermögens, das die vollständige Entwicklung eines redlich Strebenden und zugleich eine Menge reeller Gegenstände in sich begreift. Als wir die Gelegenheit bei dem schnurrigen Winkelmäzenaten aufstöberten, sorgte ich sogleich dafür, daß alles in meine Hand gelange, suchte auch die Quelle direkt zu erfahren; allein der Alte wußte sie beharrlich geheimzuhalten!«
    Ich hatte aus meiner Reisetasche ein Päcklein hervorgesucht, das neben den Briefen der Mutter meinen Reisepaß enthielt. Denselben entfaltend, hielt ich dem Grafen die Urkunde hin, welche meinen Namen und Stand amtlich bezeichnete.
    »Es ist nicht anders, Herr Graf!« sagte ich, wohlgemut lachend; »ein romantisches Geschick vergönnt mir, die bescheidenen Früchte meiner Jugendjahre nochmals zu sehen und gut verwahrt zu wissen, eh ich dahin zurückkehre, wo sie entstanden sind.«
    Der Graf nahm den Paß und las ihn aufmerksam, um sich die Tatsache recht einzuprägen und nicht aus Zweifel an meinen Worten, wie er sich ausdrückte.
    »Es ist ein köstlicher Zufall«, setzte er hinzu; »nun kann aber zunächst von Weiterreisen keine Rede sein, wenn wir ihm die gebührende Ehre antun wollen! Mich wundert, wie Sie in Ihre mißliche Lage geraten sind und wie sich ein solches Leben gestaltet, was Sie ferner zu tun gedenken, und alles ist vergnüglich zu besprechen, während Sie sich bei uns, soviel als nötig ist, erholen –«
    Plötzlich blickte er mit großen Augen auf den Tisch, von dem ich achtlos ein Handtuch weggenommen, um die Hände zu trocknen, die ich inzwischen gewaschen. Dieses Tuch hatte ich vorhin rasch über den Inhalt meiner Wandertasche geworfen, als an der Türe geklopft wurde, und nun lagen der Schädel und das eingebundene Manuskriptum meiner Jugendgeschichte offen da.
    »Das ist ja ein mysteriöses Reisegepäck!« rief er, an den Tisch herantretend, »ein Totenschädel und ein grünseidener Quartant mit goldenem Schloß! Sind Sie ein Geisterbeschwörer und Schatzgräber?«
    »Leider nicht, wie Sie sehen!« erwiderte ich und gab in wenigen Zügen die verdrießliche Geschichte mit dem Schädel zum besten,

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