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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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und da das bißchen Sonnenschein mich schon fröhlicher und redseliger machte, so erzählte ich auch noch den gestrigen Scherz, den ich mit dem Waldhüter vorgehabt. Mit seinen ruhig leuchtenden Augen sah mich der Graf durchdringend an.
    »Und das Buch, was ist's mit dem?«
    »Das hab ich geschrieben, als ich nichts mehr zu tun und zu leben wußte; es enthält einfach die Beschreibung meiner jungen Jahre, mit welcher ich mir eine Selbstprüfung auferlegte; es ist dann aber ein bloßes Erinnerungsvergnügen daraus geworden. An dem tollen Einband bin ich nicht schuld.«
    Ich erzählte, wie ich durch das Mißverständnis des Buchbinders um meine letzten Gulden gekommen, alsdann den Hunger kennengelernt habe und durch das Flötenwunder zu dem Trödler geraten sei.
    »Also das ist die Geschichte, wo Dorothea Sie die Flöte blasen hörte?« rief der Graf mit herzlichem Lachen; »aber weiter! Was ist seither geschehen?«
    Ich fügte noch das Abenteuer mit den Fahnenstangen hinzu und die stille Befriedigung, die mir dasselbe gebracht, sowie den Tod der Hauswirtin und so weiter bis zum Schädelwurf des Wirtes, den ich schon erzählt hatte. Die kurze Begegnung mit Hulda und das übrige verschwieg ich.
    Der Graf ergriff das Buch. »Darf man es aufmachen oder gar darin lesen?«
    frug er, und ich bejahte es gern, wenn es ihm nicht zu langweilig sei.
    »So wollen wir jetzt hinübergehen und etwas frühstücken, denn wir essen erst in drei Stunden.«
    Er nahm das Buch unter den einen Arm, mich unter den andern, und wir begaben uns nach dem Schlosse, wie das Hauptgebäude genannt wurde, das zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut sein mochte. Der Graf führte mich in seine Zimmer im Erdgeschosse, deren Mittelpunkt ein heller Bibliotheksaal mit geräumigen Arbeitstischen bildete. Auf einem derselben stand ein Frühstück bereit, und daneben lag auch schon die Mappe mit meinen Studien.
    Während Graf Dietrich kameradschaftlich die Erfrischung mit mir teilte, schlug er die Mappe auf.
    »Sie müssen mir die Sachen etwas ordnen«, sagte er, »und können sich zunächst die Zeit damit vertreiben. Viele der Blätter tragen kein Datum, während die Manieren und Fertigkeiten, Sorgfältiges und Nachlässiges, glücklich Gelungenes und Mißratenes, alles zugleich mit ungleicher Sicherheit oder Unsicherheit begleitet, so durcheinandergehen, daß ich die gewünschte Einordnung nach der Zeitfolge nicht recht zustande bringe. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen! Hier ist ein Blatt, welches bei unentwickeltem Können, das offenbar auf frühere Anfänge zurückweist, dennoch den Nagel auf den Kopf getroffen hat und mit anmutigem naivem Gelingen gekrönt ist; dort paart eines mit vorgeschrittener Sicherheit des Machwerks ein sichtliches Fiasko des Gewollten, kurz, alles dies ist mir interessant, und ich wünschte die Sammlung so chronologisch genau als möglich geordnet zu sehen, das heißt, dasjenige vorbehalten, was wir überhaupt darüber noch beschließen werden. Ich habe heut früh schon in dieser Hinsicht nachgedacht!«
    Ich war überrascht von dem richtigen Verständnis, mit welchem er durch hervorgezogene Beispiele sein Urteil belegte. Doch holte er aus einem Schranke noch einige Hefte herbei.
    »Hier ist aber noch ein Fall, aus dem ich nicht recht klug werde; sind diese Gebilde wirklich auch von Ihnen? Ich sehe, daß es zerschnittene Sachen sind, weiß sie aber nicht zusammenzubringen.«
    Es waren meine gewesenen Kartonkompositionen. Das Trödelmännchen hatte aber die Blätter der verschiedenen Hefte durcheinandergeworfen, bunte und grau in grau gehaltene, größere und kleine jedem Hefte zugeteilt und so nach seiner Meinung einen gleichmäßigern Wert der Mannigfaltigkeit in die tolle Sammlung gelegt. Auch mochte der Graf dieselbe noch nicht gründlich untersucht haben, und ich begriff, daß auf diese Weise es schwierig war, einen Zusammenhang herauszufinden. Ich begann, die vielen Blätter rasch auszusondern, wählte eine hinlänglich freie Fläche des Zimmerbodens und fügte dort den altgermanischen Eichenhain zusammen.
    Der Graf betrachtete das große Wesen stillschweigend, bis er sagte: »Also dergleichen haben Sie getrieben? Warum ist es denn zerschnitten?«
    »Weil ich es nur auf diese Art dem Alten aufbinden konnte; denn er hätte mir für diesen ganzen bunten Karton kaum mehr gegeben, als ich dann für die einzelnen Bruchstücke erhielt. Auch hätte ich, offen gestanden, nicht gewünscht, daß die ungeheuerlichen Fahnen in

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