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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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merken, bis ich wirklich einschlief. Auf einem Stuhle neben sich hatte das Fräulein eine umfangreiche Mappe stehen, aus welcher sie größere und kleinere Blätter nahm, die auf Bogen starken Papieres zu heften sie beschäftigt war, daß die Blätter geschützt und mit einem breiten Rande versehen wurden. Das bewerkstelligte sie mit kleinen Papierstreifchen und etwas arabischem Gummi, und Röschen hielt ihr diese Dinge bereit.
    »Nun müssen wir wieder Papier zuschneiden«, sagte sie, als der Vorrat der Unterlagen soeben zu Ende ging. Sie schoben die hindernde Unordnung des Tisches eifrig zur Seite, um Raum zu gewinnen, legten neue Bogen auf und begannen mit ihren Arbeitsscheren darin zu wirtschaften, wie wenn sie Leinwand vor sich hätten und Handtücher zuschnitten. Da das Papier keine leitenden Fäden besaß, so schrumpfte es stellenweise auf der Klinge zusammen, oder die Scheren fuhren ins Krumme, und die Mädchen erlitten allerhand kleinen Verdruß, den sie sich scherzend vorwarfen.
    »Ei, Kind«, rief Dorothea, »du machst ja lauter gefranste Ränder, Papa wird unsere Arbeit gewiß kassieren, wenn er sie sieht, und sich endlich selbst dahintermachen!«
    »Und du mit deinem Augenmaß! Sieh, wie schief die Landkarte dort sitzt!
    Da machen wir's besser, der Vater und ich, wenn wir die Gemüsebeete abteilen!«
    »So schweig doch, ich weiß es ja schon! Es sind aber auch gar zu große Dinger darunter, man kann sie gar nicht ordentlich übersehen! Da haben wir im Institut vernünftigeres Format gehabt, wenn wir unsere Blumenbildchen malten; nun, der Papa bringt die Sachen nachher schon mit Lineal und Bleistift in die Richte. Die Hauptsache ist, daß wir kein Blatt zu klein schneiden; denn er will alle von der gleichen Größe haben. Er hat schon einen Kasten dafür machen lassen, worin sie liegen sollen wie in Abrahams Schoß; auch ein paar hölzerne Rahmen mit Gläsern hat er für sein Studierzimmer bestellt, um abwechselnd dies oder jenes Blatt darin aufzuhängen, das ihm besonders gefällt. Diese Rahmen werden auf der Rückseite mit bequemen Schiebern versehen sein.«
    »Was nur an diesen Sachen zu gucken ist? Zu was braucht man sie denn?«
    »Ei, du Närrchen, zum Vergnügen! Man muß sie kennen oder verstehen, das ist das Vergnügen! Siehst du denn nicht, wie lustig dies aussieht, alle diese Bäume, wie das kribbelt und krabbelt von Zweigen und Blättern und wie die Sonne darauf spielt? Und alles das hat einer lernen müssen, um es hervorzubringen!«
    Röschen legte die Arme auf den Tisch, neigte das Näschen gegen ein Blatt und sagte: »Wahrhaftig, ja, ich seh's! Wie meines Vaters grüne Sonntagsweste!
    Ist das hier ein See?«
    »Warum nicht gar ein See, du Heuschreck! Das ist ja der blaue Himmel, der über den Bäumen steht! Seit wann sind denn die Bäume unten und das Wasser oben?«
    »Geh doch, der Himmel ist ja rund und gewölbt, und das Blaue hier ist flach und viereckig, wie unser großer Teich, wo der Herr die jungen Linden drum hat pflanzen lassen. Gewiß hast du das Bild verkehrt aufgeklebt! Wend es einmal um, dann ist das Wasser unten, und die Bäume sind ordentlich oben!«
    »Ja, auf dem Kopf stehend! Das ist ja nur ein Stück vom Himmel, du Kind!
    Guck durchs Fenster, so siehst du auch nur ein solches Viereck, du Viereck!«
    »Und du Fünfeck!« sagte Röschen und schlug der Herrin mit der flachen Hand sanft auf den Rücken.
    Ich schlief über dem Mädchengezwitscher, das sich bis hieher ohne meine Teilnahme mir ins Gehör geschmeichelt, wirklich ein, erwachte aber einige Minuten später über einer ganz nah vor mir stattfindenden wohllautenden Ausrufung meines Namens. Die Gärtnerin hatte nämlich nach einem Weilchen, indem sie das aufgezogene Blatt weglegte, in einer Ecke desselben Namen und Jahreszahl zufällig bemerkt und gesagt: »Was steht denn hier geschrieben?« – »Was wird da stehen!« hatte Dorothea erwidert, »der Name des Künstlers, der die Studien gemacht hat; denn das nennt man Studien, Landschaftsstudien!
    Heinrich Lee heißt er, alles in dieser Mappe ist von ihm!« Dann hatte sie sich plötzlich selbst unterbrochen, nach mir hergesehen und gerufen: »Wie kann man so gedankenlos sein! Das sind ja meistens Schweizerlandschaften, wie Papa sagt!«
    Als ich jetzt die Augen aufschlug, stand sie dicht vor mir und hielt einen großen Bogen, zierlich an den oberen Ecken gefaßt, vor der Brust, wie eine Kirchenstandarte, den schönen Mund noch geöffnet von dem Ausrufe: »Herr Heinrich

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