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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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»Nächsten Sonntag dürfen Sie etwas zum Dableiben auswählen, Hochwürden! Heute bekommt nur der, welcher geht!« Damit eilte sie weg und verschloß das Körbchen sorgfältig in einem Schranke.
    Als am nächsten Vormittag der Graf und ich bereits in dem bequemen Reisewagen saßen, sagte Dorothea, die uns beiden schon die Hand gegeben und jetzt plötzlich nochmals zum Wagen trat: »Nun ist doch etwas vergessen!
    Ihr grünes Buch, Herr Heinrich, liegt noch in meiner Verwahrung! Soll ich es rasch holen?«
    »Laß nur!« sagte mein Reisegefährte; »es hält uns zu lange auf; wenn er uns, wie zu hoffen, bald schreibt, so können wir ihm das Buch wohlbehalten nachsenden, nicht so?«
    Ich nickte nur froh aufatmend meine Zustimmung, da mit dem Buche ein Teil meiner selbst in der unmittelbaren Nähe Dortchens zu bleiben schien.
    »Ich will es in sicherm Verschluß halten, und es soll ihm nichts geschehen!«, sagte sie und winkte mir, während wir wegfuhren, mit vollem freundlichem Blicke zu. Damals habe ich das schöne Wesen dennoch zum letzen Mal in meinem Leben gesehen.

Vierzehntes Kapitel
    Die Rückkehr und ein Ave Cäsar
    Zwei breite Goldrahmen, im voraus bestellt, waren fertig, als wir in der Stadt ankamen, die wir nun zum zweiten Male gemeinschaftlich besuchten. Mein Beschützer machte sich sofort daran, den Einfluß zu benutzen, der ihm der Titel und auch seiner Person wegen in unverfänglichen Dingen nicht verkümmert war; die Bilder hingen deshalb nach wenigen Tagen im besten Lichte der Ausstellungsräume, in welchen ich einst so ungeschickt und dunkel aufgetreten. Sie waren freilich keine Meisterwerke, aber auch nicht gehaltlos und konnten ebensowohl einen Fortschritt als den Stillstand begrenzter Fähigkeit in sich bergen, das ewige Ausruhen von einem einmaligen Anlaufe, wo der Anläufer in sich gegangen ist und am Wegbord der goldenen Mittelstraße, der vielbegangenen, sitzen bleibt.
    Zu meiner Verwunderung hingen auch jene zwei kleinen Bilder daneben, die von mir dem israelitischen Schneider und Gemäldehändler um ein Kleid überlassen worden. Der Graf hatte sie, da er von der Sache wußte, aufgestöbert und aus dritter Hand an sich gebracht. Jetzt waren sie mit Zetteln verziert, worauf das stattliche Wort »Verkauft« geschrieben stand. Diese List des Grafen erweckte ein günstiges Vorurteil für die ganze kleine Sammlung der vier Stücke, und in dem nächsten Kunstbericht einer verbreiteten großen Zeitung war ihrer schon in einigen aufmunternden Zeilen gedacht, wenn auch nicht mit sehr zutreffenden Worten. Kurz, nach wenigen Tagen meldete sich ein bedeutender Kunsthändler, welcher die deutschen Malerschulen bereiste, um ganze Bildersammlungen für entlegene Hinterländer zu erwerben. Durch diesen Käufer, der meine Bilder zu bescheidenem Preise anzukaufen hoffte, würde mein Name den Zusatz »Mitglied der X'er Schule« erhalten haben, eine Ehre, die ich mir nicht hätte träumen lassen. Der Graf jedoch meinte, die Bilder müßten an einen Liebhaber und nicht an einen Handelsmann verkauft werden und er sei einem solchen bereits auf der Spur.
    Nach abermals einigen Tagen aber übergab mir der Kustos der Ausstellung einen für mich aus dem Norden angekommenen Brief. Er war von Erikson, welcher schrieb: »Lieber Heinrich, ich lese eben in der dortigen Zeitung, die ich meiner Frau wegen halte, daß Du noch dort bist und vier Arbeiten ausgestellt hast, zwei kleine und zwei größere. Wenn Du für die einen oder andern noch keine Bestimmung weißt, so überlasse mir eines der beiden Paare und schick es mir; ich zähle darauf! Den Preis setze auf anständigem Fuße und nicht zu schüchtern an; denn Du mußt wissen, daß es mir gut geht. Ich habe den Stand unsers Hauses wiederherstellen können, ohne das Geld meiner Frau zu brauchen, und überdies Ersparnisse gemacht, nämlich zwei Bübchen, von denen der ältere neulich schon den Teufel an die Wand gemalt hat, und zwar mit Kirschmus, als er die Mama sagen hörte, man solle das gerade nicht tun.
    Ein nettes Kräutchen, und ist noch nicht drei Jahr alt! Kann ich die Bilder bekommen, so schreib recht viel dazu!«
    Ich entschied mich ohne Zaudern für dies Freundesangebot, das meinen Entschluß, der Kunst zu entsagen, am leichtesten bestehen ließ; denn ein solcher Ankauf aus freundschaftlichem Wohlwollen war ja noch kein Beweis für den wahren Künstlerberuf. Der Graf mußte mir beistimmen, obgleich ich den Verdacht hegte, daß es mit seinem Verkaufsprojekte nicht

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