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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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tut niemand was zuleid! Sieh, wie es ein guter Kerl ist!«
    Sie nahm das erzene Gefäß in die Hand und wog es bedächtig in derselben; aber plötzlich schüttelte sie es, so stark sie konnte, auf und nieder, daß das eingetrocknete Etwas, das seit vierhundert Jahren darin verschlossen lag, deutlich zu hören war und die Kette dazu klang. Dortchen atmete heftig; da ein Strahl des Tages auf ihr Gesicht fiel, sah ich, wie dasselbe die Farbe wechselte und von einer rosigen Röte in Marmorblässe überging.
    »Höre die Klappernuß, wie sie raschelt!« rief sie, »da, klappre auch damit!«
    Sie drückte dem zitternden Röschen das Gefäß in die Hände; aber es tat einen Schrei und ließ das Herz fallen, und Dortchen fing es mit aller Gewandtheit auf und ließ es abermals klappern.
    Ich, von dessen Gegenwart sie keine Ahnung hatten, schaute ganz erstaunt dem Spiele zu.
    Wart, du Teufel! dachte ich, dich will ich schön erschrecken!
    Schnell trocknete ich die nassen Augen, stieß einen hohlen Seufzer aus und sprach mit einer traurigen Stimme, die ich gar nicht sehr zu verstellen brauchte, in älterm Französisch: »Dame, s'il vous plaist, laissez cestuy cueur en repos!«
    Mit einem Doppelschrei flohen die Mädchen aus der Krypta und der Kirche wie besessen, Dortchen voraus, welche mit einem schwungvollen Satz über die Stufen und die Schwelle der Kirchentüre hinaussprang, schneebleich, aber immer noch lachend ihr Kleid zusammennahm und über den Kirchhof wegeilte, bis sie zu ihrer Ruhebank kam und sich auf dieselbe warf, was ich alles durch eines der Fenster beobachten konnte, das ich rasch erklettert hatte.
    Dortchen, deren Gesicht fast die Farbe ihrer weißen Zähne hatte, lehnte sich zurück, die Hände um das Knie geschlungen, und Röschen rief: »Du großer Gott, es hat gespukt!«
    »Jawohl, es spukt, es spukt!« sagte Dortchen und lachte wie eine Tolle.
    »Du Gottlose! Fürchtest du dich denn gar nicht? Klopft dein Herz nicht schrecklicher, als das tote Herz dort geklappert hat?«
    »Mein Herz?« antwortete Dortchen, »ich sage dir, es ist guter Dinge!«
    »Was hat es denn gerufen?« fragte Röschen, die immerfort beide Hände an ihr eignes Herz hielt und abwechselnd prüfte, ob sie noch beweglich seien; »was hat das französische Gespenst gesagt?«
    »›Fräulein‹, hat es gesagt, ›wenn es Euch gefällt, so nehmt dies Herz und macht es zu Euerem Nadelkissen!‹ Geh wieder hin und sag, wir wollten uns bedenken! Geh, geh, geh!«
    Sie sprang auf, als ob sie die hübsche Dienerin wirklich nach der Kirche zurückschieben wollte, umhalste sie aber unversehens und drückte ihr heftige Küsse auf die Wangen. Dann verschwanden beide unter den Bäumen.
    Eine gute Weile später stieg ich auch aus meinem Schlupfwinkel hervor, um die letzten Dinge zu besorgen, die noch übrig waren. Ich ging in das Parkhaus und stellte die Reisefertigkeit vollständig her; richtig war der Schädel beim Packen des Koffers wieder vergessen worden, weshalb ich nochmals Raum schaffen mußte. Zuletzt war auch er untergebracht, und zwar als die einzige Habseligkeit von denen, die ich einst aus der Heimat in die Fremde mitgenommen hatte. Darum war mir auch, als ich es recht bedachte, die arme Scherbe erst jetzt wert; lange Jahre schon hatte sie in der heimatlichen Erde gelegen, dann mit mir die Kammer geteilt und, wenn auch als ein stummes Geräte, meine vergangenen Tage gesehen, und so kehrte ich wenigstens nicht ganz vor der alten Ausstattung entblößt zurück.
    Dies verrichtet, begab ich mich zum Grafen, die Unterredung mit ihm zu halten, die durch die letzten Stunden meines Hierseins sowie schon von der Pflicht der Dankbarkeit gefordert wurde. Er wollte aber jetzt nichts von solchen Verhandlungen wissen, sondern bestand darauf, mich abermals nach der Hauptstadt zu begleiten und Zeuge zu sein, wie ich es mit meinen Bildern anfangen und es mir ergehen würde.
    Man müsse verhüten, sagte er, daß ich nicht schon nach dem ersten Anlaufe wieder einen Trödler aufsuche. Das wäre nicht zu befürchten, antwortete ich, weil ich ja nun reich genug wäre, die Bilder für einstweilen zu behalten und mit nach Hause zu bringen, wo sie sogar Zeugnis über die Art, wie ich die Zeit verbracht, ablegen könnten. Nichts da, meinte er, in der Kunststadt müßten sie ihre Wirkung tun, sonst habe mein bevorstehender Entschluß nicht die rechte Grundlage.
    Vom Grafen hinweg ging ich auf die Terrasse, wo ich die kurze Zeit bis zur Stunde der abendlichen

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