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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Besitzer hatte es umgebaut, aber der schöne Baumgarten, wo sie einst Äpfel pflückte, stand unverändert. Sie warf nur einen halben Blick auf mich, schlug ihn dann nieder und errötete sanft, indem sie eilig weiterschritt. Da sah ich, daß dieses Weib, das die Meere durchschifft, sich in einer neuen werdenden Welt herumgetrieben und zehn Jahre älter geworden, zarter und besser war als in der Jugend und in der stillen Heimat.
    Das nennt man Rasse, würden rohe Sportsleute sagen! dachte ich bei dem lieblichen Anblick.
    Im Wirtshause angekommen, wunderte ich mich, mit welcher Umsicht und geräuschlosen Sorgfalt, mit wenig Worten, sie eine gute Bewirtung anzuordnen wußte und so aufmerksam für mich sorgte wie ein Hausmütterchen. Das ließ mich vermuten, daß sie in Amerika ihre Zeit in Städten und guten Häusern zugebracht habe; allein die Erzählungen und Schilderungen ihres Schicksals, die sie während des Nachtessens mit anmutiger Laune mir sowohl als den mit zuhorchenden Wirtsleuten zum besten gab, deuteten im Gegenteil darauf hin, daß sie im Kampfe mit der Not der Menschen, und indem sie ihre Auswanderungsgenossen geradezu erziehen und zusammenhalten mußte, sich selbst notgedrungen veredelt und höhergehoben hatte.
    Als sie nämlich mit ihren Landsleuten an Ort und Stelle der Ansiedlung gelangt und andere dazugestoßen waren, zeigte sich fast die ganze Gesellschaft als nicht ausdauernd und ungeschickt bei Widerwärtigkeiten, so wie sich auch die übrigen Eigenschaften, welche die Auswanderung veranlaßt, nicht sogleich verloren. Judith, als die meisten Mittel besitzend, hatte den größten Teil des Bodens angekauft; sie ließ jedoch ihr Land von den andern benutzen und begnügte sich, eine Art Handelskontor für die verschiedenen Bedürfnisse der kleinen Kolonie zu führen. Wie sie aber sah, daß die Genossen sie am Schaden ließen und sie verarmen würde, änderte sie das Verfahren. Sie zog ihr Land wieder an sich, ließ es um den Tagelohn von denen bearbeiten, die für eigene Rechnung zu träg dazu gewesen, und so brachte sie alle miteinander dazu, sich zu rühren. Sie setzte den Weibern die Köpfe zurecht, pflegte die kranken Kinder und erzog die gesunden, kurz, der Selbsterhaltungstrieb war mit einer großen Opferfähigkeit so glücklich in ihr gemischt, daß sie die Leute und mit ihnen sich selbst so lange über Wasser hielt, bis ein bedeutender Verbindungsweg in die Nähe der Ansiedlung kam und mit demselben eine wachsende Zahl von kräftigeren Elementen, die schon geschult waren, so daß zusehends die Wendung zum Bessern für alle eintrat. Während der ganzen Zeit aber hatte sie die Bewerbungen um ihre Person abzuwehren, was sie mehr im Scherze andeutete als ernsthaft erwähnte; zeitweise, wenn gefährliche Abenteurer sich herbeimachten und die Sicherheit bedrohten, hielt sie sich sogar Waffen und verließ sich nur auf sich selber.
    Als aber das Kalb durch den Bach gezogen, das Gedeihen begründet und die Ansiedlung mit dem Namen irgendeiner berühmten Stadt der Alten Welt vor Christi Geburt versehen war, zog sie sich zurück und überließ sich einer ruhigeren Lebensart; denn sie war weder eine gewohnheitsmäßige Pädagogin noch eine vorsätzliche Tatverrichterin. Dagegen vervielfachte sie durch den Verkauf ihres Landes ihr ursprüngliches Vermögen und beschaute sich zuweilen während einiger Wochen das Leben in der Hauptstadt des Staates oder anderen größeren Städten, oder sie fuhr auf den breiten Flüssen, wenn sich Gesellschaft fand, landeinwärts, bis sie die wilden Indianer zu sehen bekam.
    Alles das erzählte sie bruchstückweise und ungezwungen mit solcher Kurzweiligkeit, daß wir nicht müde wurden zuzuhören, zumal jedes Wort den Stempel der Wahrheit an sich trug. Inzwischen war die Zeit wie ein Augenblick für mich verstrichen, da ich seit Jahren nicht so sorglos und glücklich an einem Tische gesessen, und der Einspänner des Wirtes, der mich nach Hause bringen sollte, stand bereit, weil ich für die Morgenfrühe mehrere Amtsgeschäfte anberaumt hatte.
    Ich dankte der Judith beim Abschiede für die Gastfreundschaft und lud sie ein, sich bald bei mir schadlos zu halten, wo wir zwar auch im Wirtshause essen müßten, weil ich keine Haushaltung führe.
    »Ich werde schon in den nächsten Tagen angefahren kommen«, sagte sie, »in diesem gleichen Triumphwagen, und mich bezahlt machen!«
    Als ich schon im Gefährte saß, drückte sie mir in der Dunkelheit schweigend die Hand und blieb

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