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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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beschränkten Mitteln keine Möglichkeit, mir Privatlehrer zu halten oder mich auf eine auswärtige Schule zu schicken, noch konnte sie sich den Beruf denken, welchen ich nun am besten ergriffe, da gerade für eine einsichtvollere Selbstbestimmung der erweiterte Gesichtskreis der nun verschlossenen höheren Klassen hätte Gelegenheit bieten sollen. Meine häusliche Beschäftigung hatte in letzter Zeit beinahe ausschließlich in Zeichnen und Malen bestanden, und auch in dieser Hinsicht befand ich mich in einem sonderbaren Verhältnis zur Schule. Dort galt ich für nichts weniger als für einen talentvollen Zeichner. Monatelang klebte der gleiche Bogen auf meinem Reißbrette; ich quälte mich verdrossen ab, einen kolossalen Kopf oder ein Ornament mit dem magern Bleistifte zu kopieren; Dutzende von Linien wurden ausgelöscht, bis die richtige stehenblieb, das Papier wurde beschmutzt und durchgerieben und verkündete einen faulen und verdrießlichen Zeichner.
    Sobald ich aber nach Hause kam, warf ich diese Schulkunst beiseite und machte mich mit eifrigem Fleiße hinter meine Hauskunst. Nach jenem ersten Versuche, eine gemalte Landschaft zu kopieren, hatte ich fortgefahren, dergleichen Gebilde in Wasserfarben hervorzubringen; da ich nun aber weiter keine Vorbilder besaß, mußte ich sie auf eigene Faust ins Leben rufen und tat dieses mit anhaltendem Fleiße. Der gemalte Ofen unserer Stube enthielt eine Menge kleiner Landschaftsmotive, eine Burg, eine Brücke, einige Säulen an einem See und solches mehr; ein altes Stammbuch der Mutter sowie eine kleine Bibliothek verjährter Damenkalender aus ihrer Jugend bargen einen Schatz sentimentaler Landschaftsbilder, dem lyrischen Texte entsprechend, mit Tempeln, Altären und Schwänen auf Teichen, mit Liebespaaren, in Kähnen sitzend, und dunklen Hainen, deren Bäume mir unvergleichlich gestochen schienen. Aus allem diesem zusammen bildete sich eine höchst unschuldige und sozusagen elementare Poesie, welche meinem eifrigen Machen zugrunde lag und mich während desselben beglückte. Ich erfand eigene Landschaften, worin ich alle poetischen Motive reichlich zusammenhäufte, und ging von diesen auf solche über, in denen ein einzelnes vorherrschte, zu welchem ich immer den gleichen Wanderer in Beziehung brachte, mit welchem ich, halb bewußt, mein eigenes Wesen ausdrückte. Denn nach dem immerwährenden Mißlingen meines Zusammentreffens mit der übrigen Welt hatte eine ungebührliche Selbstbeschauung und Eigenliebe angefangen mich zu beschleichen; ich fühlte ein weichliches Mitleid mit mir selbst und liebte es, meine Person symbolisch in die interessanten Szenen zu versetzen, welche ich erfand. Diese Figur, in einem grünen, romantisch geschnittenen Kleide, eine Reisetasche auf dem Rücken, starrte in Abendröten und Regenbogen, ging auf Kirchhöfen oder im Walde oder wandelte auch wohl in glückseligen Gärten voll Blumen und bunter Vögel. Das Machwerk an der beträchtlichen Sammlung solcher Bilder, welche sich bereits angehäuft hatte, blieb immer auf dem nämlichen Standpunkte gänzlicher Erfahrungs-und Unterrichtslosigkeit; nur eine gewisse Keckheit und Fertigkeit im Auftragen der grellen Farben, welche ich durch die unablässige Übung erwarb, verbunden mit der kühnen Absicht meiner Unternehmungen überhaupt, unterschied mein Treiben einigermaßen von sonstigen knabenhaften Spielen mit Bleistift und Farbe und mochte meinen vorläufigen Ausspruch, daß ich ein Maler werden wolle, veranlassen. Doch wurde jetzt nicht näher darauf eingegangen, sondern bestimmt, daß ich einige Zeit in dem ländlichen Pfarrhause bei dem Bruder der Mutter zubringen sollte, um über die nächsten Monate meines Ungemaches auf gute Weise hinwegzukommen, indessen eine taugliche Zukunft für mich ermittelt würde.
    Das Heimatdorf lag in einem äußersten Winkel des Landes; ich war noch nie dort gewesen, so wie auch die Mutter seit manchen Jahren es nicht mehr besucht hatte und die dortigen Verwandten, mit seltenen Ausnahmen, nie in der Stadt erschienen. Nur der Oheim Pfarrer kam jedes Jahr einmal auf seinem Klepper geritten, um an einer Kirchenversammlung teilzunehmen, und schied immer mit kordialen Einladungen, endlich einmal hinauszuwandern. Er erfreute sich eines halben Dutzends Söhne und Töchter, welche mir noch so unbekannt waren wie ihre Mutter, meine rüstige Muhme und geistliche Bäuerin. Außerdem lebten dort zahlreiche Verwandte des Vaters, vor allen auch seine leibliche Mutter, eine

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