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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Scheunen und Stall sich zu zerstreuen. Die Auszüge des Tisches wurden ineinandergeschoben, daß er, eine schwere Masse glänzenden Nußbaumholzes, still in der geleerten Stube stand, bis die Hausfrau einen mächtigen Korb Hülsenfrüchte darauf schüttete, um sie für das Mittagsmahl vorzubereiten, und dem Oheim kaum für seine Hefte Raum ließ, in welchen er den diesjährigen Ertrag seiner Felder aufschrieb, mit den früheren Jahrgängen, und überdies noch das Verhalten der einzelnen Äcker untereinander verglich. Der jüngste Sohn, etwa in meinem Alter, mußte ihm, hinter seinem Stuhle stehend, Bericht erstatten, und als er seiner Pflicht genügt hatte, forderte er mich auf, mit ihm hinauszustreifen und etwa mitzuarbeiten, wo es uns am besten gefiele, vorzüglich aber uns bei dem Zwischenimbiß einzufinden, der auf dem Felde gehalten würde und wo es an Scherz nicht fehle. Indessen erschien aber ein Sendbote der Großmutter, die von meiner Ankunft gehört hatte und mich einlud, sogleich zu ihr zu kommen. Mein Vetter bot sich mir zur Begleitung an; ich putzte mich, nicht ohne Ziererei, halb einfach ländlich, halb komödiantisch heraus, und wir gingen auf den Weg, welcher zuerst über den Kirchhof führte, der auf einer kleinen Höhe gelegen ist. Dort duftete es gewaltig von tausend Blumen, eine flimmernde, summende Welt von Licht, Käfern und Schmetterlingen, Bienen und namenlosen Glanztierchen webte über den Gräbern hin und her. Es war ein feines Konzert bei beleuchtetem Hause, wogte auf und nieder, erlöschte bis auf das gehaltene Singen eines einzelnen Insektes, belebte sich, wieder und schwellte mutwillig und volltönig an; dann zog es sich in die Dunkelheiten zurück, welche die Jasmin-und Holunderbüsche über den Grabzeichen bildeten, bis eine brummende Hummel den Reigen wieder ans Licht führte; die Blumenkelche nickten im Rhythmus vom fortwährenden Absitzen und Auffliegen der Musikanten. Und unter diesem zarten Gewebe lag das Schweigen der Gräber und der Jahrhunderte seit den Tagen, wo dieser Zweig alemannischen Volkes sich hier festgesetzt und die erste Grube gegraben. Ihr Wort, Spuren ihrer Sitte und ihrer Gesetze leben noch im grünen Gau, auf den Berghöfen, in den kleinen grauen Steinstädten, die an den Flüssen hangen oder an Halden lehnen. Ich empfand eine Art von Scheu, vor die ergraute Frau zu treten, die ich noch nie gesehen und mir eher als eine gestorbene Vorfahrin denn als eine lebendige Großmutter erschien. Auf engen Pfaden, unter fruchtbeschwerten Bäumen hin, um stille Gehöfte herum gelangten wir endlich vor ihr Haus, welches in tiefgrünem, schweigendem Schatten lag; sie stand unter der braunen Tür und schien, die Hand über den Augen, sich nach mir umzusehen. Sogleich führte sie mich in die Stube hinein und hieß mich mit sanfter Stimme willkommen, ging zu einem blanken zinnernen Gießfasse, welches in gebohnter Eichenholznische über einer schweren zinnernen Schale hing, drehte den Hahn und ließ sich das klare Wasser über die kleinen gebräunten Hände strömen. Dann setzte sie Wein und Brot auf den Tisch, stand lächelnd, bis ich getrunken und gegessen hatte, und setzte sich hierauf ganz nahe zu mir, da ihre Augen schwach waren, betrachtete mich unverwandt, während sie nach der Mutter und unserm Ergehen fragte und doch zugleich in Erinnerung früherer Zeit versunken schien. Auch ich sah sie aufmerksam und ehrerbietig an und behelligte sie nicht mit kleinen Berichten, welche mir nicht hieher zu gehören schienen. Sie war schlank und fein gewachsen, trotz ihres hohen Alters beweglich und aufmerksam, keine Städterin und keine Bäuerin, sondern eine wohlwollende Frau; jedes Wort, das sie sprach, war voll Güte und Anstand, Duldung und Liebe, von aller Schlacke übler Gewohnheit gereinigt, gleichmäßig und tief. Es war noch ein Weib, bei dem man begreifen konnte, wie die Alten das verdoppelte Wergeld des Mannes forderten, wenn es erschlagen oder beschimpft wurde.
    Ihr Mann erschien, ein diplomatischer und gemessener Bauer; er begrüßte mich mit freundlicher Teilnahmlosigkeit, und nachdem er mit einem Blicke gesehen, daß ich eine ähnliche »phantastische« Natur wie mein Vater und deshalb in der Zukunft weder Ansprüche noch Streitigkeiten zu befürchten seien, ließ er seine Frau in ihrer Freude gewähren, gab ihr sogar gelassen zu verstehen, daß sie mich nach Gefallen bewirten dürfe, und ging wieder seine Wege.
    Ich blieb einige Stunden bei ihr, ohne daß, wir viel

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