Der gruene Stein
fadenscheinigen Anklagen ihrer Gegner vor Gericht gezerrt. Wenn man in dieser Stadt als Politiker überleben will, dann braucht man eine Menge Unterstützung, und genau diese Menge Unterstützung fehlt mir.
Als ich mir klarmache, dass Makri nicht nur dafür gesorgt hat, dass ich meine gesetzmäßig verliehene Macht einsetze und damit praktisch sicherstelle, dass ich bei der nächstbesten Gelegenheit aus der Stadt getrieben werde, und gleichzeitig Wetten auf die Zahl der Leichen abgibt, die in den nächsten Tagen meinen Weg pflastern werden, und sie trotzdem eine Einladung zu Lisutaris’ Maskenball erhalten hat, fange ich an zu kochen. Diese verdammte Frau! Wie soll ich es in dieser Stadt zu etwas bringen, wenn ich die ganze Zeit das Kindermädchen für eine spitzohrige Ex-Gladiatorin spielen soll, die nicht weiß, wie sie sich in einer zivilisierten Gesellschaft zu verhalten hat? Es ist noch nicht lange her, da hat sie die aufrechten Bürger von Zwölf Seen damit schockiert, dass sie in aller Offenheit über ihre Menstruationsprobleme sprach. Wenn es das nicht ist, dann legt sie einen Boahhändler um und hetzt mir die Bruderschaft auf den Hals, oder sie besäuft sich so sehr auf den Elfeninseln, dass sie dem Kronprinzen auf die Sandalen kotzt. Noch mehr von solchen Kapriolen, und ich nehme das nächste schnelle Pferd in den Süden.
Als ich endlich die Bibliothek erreiche, wieder ein Zimmer, in dem sich unendliche Reihen von Büchern und Schriftrollen stapeln, bin ich ausgesprochen schlecht gelaunt. Ich will Rabaxos sehen und ignoriere die vielstimmig vorgetragene Beschwerde, doch bitte meine Stimme zu senken. Ich frage mich durch, bis mich endlich ein Student zu einem kleinen Tisch hinter einem Bücherregal führt, an dem ein kümmerlicher Kerl kauert, der sein Haar mit einem billigen Band nach hinten gebunden hat und seine Nase in eine Rolle steckt, die in der elfischen Umgangssprache geschrieben ist. Ich spreche selber Elfisch, aber ich laufe deswegen nicht rum und studiere es in Bibliotheken.
»Ich bin hier, weil ich wegen des Diebstahls Eures Geldes ermittele.«
Er versinkt geradezu in seinem Stuhl.
»Und wenn Ihr mir nicht haarklein erzählt, was passiert ist, dann sorge ich dafür, dass Ihr morgen auf einem Gefängnisschiff rudert. Es dürfte dann eine Weile dauern, bis Ihr wieder elfische Schriftrollen studieren könnt.«
6. KAPITEL
Auf dem Rückweg zur Rächenden Axt lege ich einen kurzen Zwischenstopp bei einer Botenstation ein und schicke Lisutaris eine Nachricht. Darin schildere ich ihr die neuesten Entwicklungen. Außerdem schlage ich ihr vor, das Juwel umgehend neu zu lokalisieren und ihre nicht unbeträchtlichen magischen Fähigkeiten endlich wirksam einzusetzen und herauszufinden, was zum Teufel hier eigentlich vorgeht. Sieben Leichen sind eine Menge Tote für ein Medaillon, von dessen Existenz angeblich keiner etwas wissen soll.
Die Sonne steht hoch am Himmel, und es ist unerträglich heiß und staubig. Nichts regt sich, bis auf eine Horde Kinder, die in einer kleinen Fontäne herumtollen, die von dem örtlichen Aquädukt gespeist wird. Noch ein paar Tage wie dieser, dann gehen die Wasservorräte bald zur Neige. Das wird vermutlich einen Aufstand auslösen. Bei meiner momentanen miesen Stimmung hätte ich nichts gegen einen kleinen Aufstand einzuwenden. Ich male mir in den schlimmsten Farben aus, was geschehen wird, jetzt, nachdem ich meine Macht als Tribun eingesetzt habe. Ich werde einen Bericht an die Bonzen des Senats schicken müssen, und sobald der veröffentlicht wird, kann keiner mehr sagen, was passieren wird.
Mir ist völlig klar, dass es an der Innungshochschule keine ordnungsgemäße Untersuchung gegeben haben kann. Der junge Student Rabaxos hatte sein Geld nur für wenige Minuten in dem Schrank deponiert, während er zu einem seiner Tutoren gegangen ist, um seine Arbeit abzugeben. Als er zurückkam, fand er die Tür des Schranks gewaltsam geöffnet vor, und sein Geld war weg. Ich habe die Schränke überprüft. Es sind einfache Holzkisten mit einem kleinen Riegel. Jeder hätte sie in weniger als einer Minute aufbrechen können. Zwar hat niemand den Diebstahl gesehen, aber Makri wurde von verschiedenen Studenten dabei beobachtet, wie sie den Raum mit den Schränken betrat. Das muss etwa zu der Zeit gewesen sein, in der der Diebstahl sich ereignet hat. Abgesehen davon gibt es nicht den geringsten Beweis gegen sie. Was nun aber nicht etwa bedeutet, dass die Angestellten empört
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