Der gruene Stein
… Senator Lohdius war bei ihm …«
Die Wachen stehen verlegen herum und wissen nicht genau, wie sie reagieren sollen. Sie wollen natürlich den Professor nicht verärgern, aber sie sind auch nicht sonderlich scharf darauf, vor einen Untersuchungsausschuss des Senats zitiert zu werden, weil sie eine Regierungsangelegenheit behindert haben. Professor Toarius löst die Pattsituation auf, indem er einfach aus dem Raum marschiert und dabei etwas über die Degeneriertheit einer Stadt murmelt, die einem Mann wie mir gestattet, ungestraft herumzulaufen.
»Benimmt er sich immer so?«, frage ich die Wachen.
»Ja.«
»Ihr habt begriffen, dass ich tatsächlich ein Tribun des Volkes bin? Ihr könnt mich nicht hier hinauswerfen, solange ich eine Untersuchung durchführe.«
Die Wachen zucken gleichgültig mit den Schultern. Sie machen nicht gerade den Eindruck, als würden sie den Wünschen des Professors mit glühendem Eifer gehorchen wollen. Wahrscheinlich ist Toarius kein Mann, der Loyalität in seinen niederen Angestellten wecken kann.
»Kennt ihr Makri?«
Der größere der beiden Wächter verkneift sich ein Lächeln.
»Wir kennen sie allerdings.«
»Ziemlich heißblütiges Temperament, die Kleine«, fügt sein Gefährte hinzu.
»Sie hat mal irgendeinen armen Burschen durch das halbe Haus gehetzt, weil er eine Bemerkung gemacht hat, die ihr nicht passte. Was hat sie denn erwartet? Es ist schließlich nicht so, dass sie sich besonders schicklich anzieht.«
Ich frage sie, was sie über ihren Verweis wissen. Sie wissen nicht viel.
»Wir hatten nichts damit zu tun. Uns wurde nur gesagt, dass Geld verschwunden ist und sie es genommen hätte. Der Professor hat uns befohlen, dafür zu sorgen, dass sie das Gebäude nicht mehr betritt.«
»Habt ihr den Fall genauer untersucht?«
»Warum sollten wir?«, fragt der größere Wächter zurück. »Wir sind nur hier, um Boahhändler davon abzuhalten, die Studenten zu belästigen. Wenn der Professor jemanden von der Hochschule wirft, geht uns das nichts an.«
»Wahrscheinlich hat sie das Geld tatsächlich gestohlen«, fügt der andere Wächter hinzu. »Ich habe nichts gegen die Frau, aber sie hat Orgk-Blut in den Adern. Es war klar, dass sie früher oder später etwas stehlen würde.«
»Aber einen guten Körper hat sie«, meint sein Freund nachdenklich. »Sie hätte weiter als exotische Tänzerin arbeiten sollen.«
Ich frage die beiden, ob sie jemanden kennen, der mir etwas mehr dazu sagen kann. Sie schlagen einen gewissen Rabaxos vor.
»Es war sein Geld, das abhanden gekommen ist. Wahrscheinlich findet Ihr ihn jetzt in der Bibliothek. Es ist der kleine Kerl in dem schäbigen Wams. Er hat seine Nase immer in irgendeiner Schriftrolle versenkt. Seinem Vater gehört ein Fischerboot, aber anscheinend war der Beruf eines Fischers für seinen Sohn nicht mehr gut genug. Warum macht Ihr Euch denn eigentlich so große Umstände wegen dieses Orgk-Mädchens?«
Das ist eine gute Frage. Ich bleibe den beiden eine Antwort darauf schuldig. Es ist heiß und stickig in dem alten Gemäuer, aber mich bedrückt mehr als nur das schwüle Wetter. Ich hatte geschworen, dass ich meine Macht als Tribun auf gar keinen Fall mehr einsetzen würde. Dank Makri bin ich jetzt wieder dazu gezwungen. Und ich weiß genau, was jetzt passieren wird. Die Leute werden vor meiner Tür auftauchen und um Hilfe betteln. Und sobald die unterdrückten Massen herauskriegen, dass ich meine Macht eingesetzt habe, werden sie alle nach Unterstützung gieren. Jedes Subjekt in ZwölfSeen, das irgendeinen Grimm gegen die Behörden hegt, wird verlangen, dass ich etwas unternehme. Ich sollte besser meinen Schließzauber verstärken. Schließlich habe ich nicht vor, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, den unterdrückten Massen von ZwölfSeen zu helfen. Ich bin selbst eine unterdrückte Masse.
Aber das ist nicht das Schlimmste. Vizekonsul Zitzerius war außer sich vor Wut, als ich meine Macht im letzten Winter eingesetzt habe, vor allem, weil ich dabei Senator Lohdius geholfen habe, dem Führer der Oppositionspartei. Wenn ich jetzt schon wieder in einen ähnlichen Fall verwickelt werde, wird Zitzerius wie ein Böser Bann über mich kommen. Wenn man sich erst mal in die Politik dieser Stadt eingemischt hat, weiß man nie, was alles passiert. Es gab eine Zeit, als die Volkstribunen sich immer in die Politik eingemischt haben. Und mehr als einmal wurden sie für all ihre Mühen auch noch umgebracht oder unter
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