Der gruene Stein
die Ohrlöcher bedecken jetzt den ganzen Halbkreis jeder Ohrmuschel.
Sie sieht Lisutaris an, während sie die Armbrust fest auf meine Brust gerichtet hält. Ein Bolzen dieser Größe würde mich ohne weiteres an die gegenüberliegende Wand heften. Sarin hat einmal auf Makri geschossen, und es bedurfte der Kraft des magischen Heilsteins der Delfine, um ihr Leben zu retten. Etwa um dieselbe Zeit hat sie Budhaius von der Östlichen Erleuchtung umgebracht, einen der mächtigsten Zauberer Turais.
»Wer seid Ihr?«
»Lisutaris, Herrin des Himmels«, erwidert die Zauberin kalt. »Legt die Armbrust nieder.«
Sarin hat offenbar keine Lust, die Armbrust niederzulegen, und richtet sie stattdessen auf Lisutaris. Was sich als Fehler erweist. Lisutaris zuckt mit dem kleinen Finger, und die Waffe fliegt Sarin aus der Hand und landet klappernd auf dem Boden. Sie rutscht bis unter meinen Spülstein. Falls Sarin beunruhigt ist, lässt sie sich nichts anmerken. Sie tritt vor, bis ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter von Lisutaris’ Gesicht entfernt ist.
»Ich mag keine Zauberer«, knurrt Sarin.
»Ich mag Euch nicht«, erwidert Lisutaris eisig.
Lisutaris ist ebenfalls eine Frau, die sich nicht so schnell einschüchtern lässt. Sie hat im letzten Krieg gegen die Orgks heroisch gekämpft. Sie hat Kriegsdrachen vom Himmel geholt und ganze Orgk-Schwadrone mit mächtigen, zerstörerischen Zaubern vom Himmel gefegt. Als ihr beachtlicher Vorrat an Magie schließlich zur Neige ging, hat sie sich ein Schwert gegriffen und es den orgkischen Invasoren, die unsere Zinnen stürmen wollten, auf den Schädel gehauen. Ich weiß es, weil ich damals an ihrer Seite gefochten habe.
»Ihr mögt glauben, dass dieses Zauberamulett, das ich an Euch spüre, Euch vor mir schützen wird. Ihr irrt. Nehmt Euer Gesicht weg, oder ich werde Euch in Flammen hüllen.«
»Ach wirklich?« Sarin denkt gar nicht daran, auf Abstand zu gehen. »Bevor Ihr meinen Schutzzauber überwinden könnt, breche ich Euch das Genick.«
Als sportlich interessierter Mann hätte ich nichts gegen ein ordentliches Damen-Catchen zwischen Lisutaris und Sarin einzuwenden. Allerdings würde das vermutlich bedeuten, dass mein Zimmer verwüstet wird, und Ghurd ist nie sonderlich begeistert, wenn das passiert. Also mische ich mich ein.
»Bist du hergekommen, um dich mit meinen Gästen anzulegen? Das schaffe ich für gewöhnlich auch allein.«
Sarin weicht etwas zurück.
»Nein, Thraxas. Ich bin hier, um nach einem Medaillon zu suchen. Ich dachte, du hättest es vielleicht. Was keine ganz weit hergeholte Vermutung ist, da man dich an dem letzten Fundort des Schmuckstücks gesehen hat. Hast du es?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Das Medaillon. Zum Weitsehen. Lisutaris hat dich engagiert, es für sie wiederzuholen. So wie ich Männer engagiert habe, es für mich zu holen. Diese Männer sind tot. Wie ich sehe, ist es dir besser ergangen.«
»Ich bin schwer umzubringen.«
Ein verächtlicher Ausdruck zuckt über Sarins Gesicht. Es ist keine gespielte Verachtung, sondern sie ist echt. »Schwer umzubringen? Ich bin an dir vorbeigegangen, als du betrunken in der Gosse lagst, Thraxas. Ich hätte dich in aller Ruhe ausweiden können, wenn mir danach gewesen wäre.«
»Wann genau war das?«
»Bei einer der vielen Gelegenheiten, in denen ich unerkannt in der Stadt gewesen bin. Es gibt viele ungelöste Verbrechen, die du mir zuschreiben kannst, Detektiv. Bei einigen von ihnen hast du ohne Ergebnis ermittelt. Die wenigen Erfolge, mit denen du prahlst, sind nichts im Vergleich zu deinen vielen Fehlschlägen.«
Ich glaube ihr nicht. Sarin ist nur wütend auf mich, weil ich ihr in der Vergangenheit häufig in die Quere gekommen bin. Aber ich bemerke, dass Lisutaris’ Respekt für mich deutlich leidet. Keine Klientin hat es gern, wenn ihr Detektiv von einer Kriminellen verhöhnt wird.
»Auch wenn ich betrunken in der Gosse gelegen haben mag, weiß ich nichts von einem Medaillon, das Lisutaris angeblich verloren hat. Die Herrin des Himmels ist einfach nur vorbeigekommen, um mich für einen Maskenball einzuladen. Und ich bin sehr dankbar für diese Einladung, Lisutaris. Ich werde entzückt teilnehmen.«
»Hör mit dieser Clownerie auf«, sagt Sarin ziemlich laut. Sie mustert mein Gesicht. »Du hast das Medaillon nicht«, sagt sie. Dann dreht sie sich zu Lisutaris um und betrachtet sie ebenfalls einige Sekunden. »Und Ihr habt es ebenfalls nicht.«
»Du kannst jetzt also auch Gedanken
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