Der gruene Stein
wichtig. Es interessiert mich nicht, wie es zu diesem Vorfall gekommen ist. Wichtig ist nur eins: Ich muss das Medaillon sofort zurückhaben. Ist Euch klar, dass Konsul Kahlius in zwei Tagen in mein Haus kommen wird? Er hat bereits Verdacht geschöpft. Und er wird darauf bestehen, das Medaillon zu sehen.«
»Könnt Ihr ihn denn nicht mit einer Nachahmung in die Irre führen?«
»Wenn es sich nur um den Konsul handeln würde, dann ja. Aber er wird seine Regierungszauberer mitbringen, die ich alle zu meinem Maskenball eingeladen habe. Keine Nachahmung, die ich herstellen würde, könnte den Alten Hasius Brillantinius auch nur eine Sekunde täuschen. Und der Alte Hasius kocht immer noch vor Eifersucht über meine Wahl als Oberhexenmeisterin der Innung. Nach einem kurzen Blick auf eine Nachahmung wird er so laut blöken, dass man es bis Simnia hören kann.« Lisutaris drückt ihre Thazisrolle aus und zündet sich sofort eine neue an. »Was für ein blöder Mist! Verdammt! Ich wollte überhaupt nicht zur Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung gewählt werden! Und ich habe auch nicht darum gebeten, die Verantwortung für Gegenstände zu übernehmen, die so wichtig für die Verteidigung der Stadt sind. Der Konsul wird über mich kommen wie ein Böser Bann, wenn er erfährt, dass ich das Medaillon verloren habe. Erst letzten Monat hat er mir erzählt, dass irgendein orgkischer Prinz ein Nachbarland erobert hat und jetzt danach trachtet, sich zum Obersten Kriegsherrn aufzuschwingen.«
»Prinz Amrag?«
Lisutaris nickt. Wir haben im Westen bereits einiges über diesen Prinzen gehört. Die Orgks hassen uns genauso wie wir sie, aber sie zerstreiten sich häufiger untereinander in Bürgerkriegen, als wir das tun. Das hindert sie daran, einen konzentrierten Angriff gegen uns führen zu können. Aber ab und an spuckt ihr Erbgut einen Anführer aus, der in der Lage scheint, die orgkischen Nationen zu einen. Wenn das passiert, bedarf es nur noch eines kleinen Schrittes bis zu einer Invasion der Menschenländer. Prinz Amrag hat das Zeug dazu, genau dieser Orgk-Führer zu werden, und das außerdem in nicht allzu ferner Zukunft.
»Vielleicht wird es allmählich Zeit, jemand anderen einzuschalten.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, fährt Lisutaris hoch.
»Wenn für Turai so viel auf dem Spiel steht, sollte man vielleicht die Palastwache hinzuziehen. Sie könnten all ihre Zauberer daran setzen, die Stadt zu durchkämmen.«
»Auf gar keinen Fall«, widerspricht Lisutaris, schüttelt den Kopf und zündet sich auf den Schreck gleich noch eine Thazisrolle an. Lisutaris’ heftiger Thaziskonsum entführt sie oft in eine glückliche Traumwelt. Es ist ein Zeichen für den Ernst dieser Krise, dass sie sich nicht entspannt, ganz gleich, wie viel Rollen sie pafft.
»Ich kann den Verlust des Medaillons auf gar keinen Fall zugeben. Ich wäre ruiniert. Der König würde mich in Schimpf und Schande aus der Stadt jagen, und ich wäre in jeder Nation eine Ausgestoßene. Meine Familie bekleidet seit der Gründung Turais eine führende Rolle in ihrer Gesellschaft, und ich weigere mich einfach, als eine verrückte alte Eremitin in den Ödlanden zu enden, die Reisenden Horoskope erstellt.«
Ich öffne eine frische Flasche Kleeh. Lisutaris ist zwar keine große Trinkerin, leert ihr Glas jedoch in einem Zug und hält es mir hin, damit ich es neu fülle. Ich schenke ihr noch eines ein und frage sie, ob sie vielleicht einen Grund wüsste, aus dem einer von Luxius’ Detektiven in Thamlin ebenfalls hinter dem Medaillon her sein sollte.
»Ich habe keine Ahnung. Das ist eigentlich unmöglich.«
»Ich bin ziemlich sicher, dass Demanius genau das im Blinden Klepper gewollt hat. Bevor die Frau starb, schien sie ihn erkannt zu haben, und sie erwähnte das Juwel.«
»Das ist ein Desaster«, stellt Lisutaris ganz richtig fest und marschiert wieder unruhig auf und ab.
»Allerdings. Bis jetzt war dieses Medaillon in den Händen verschiedener unbekannter Diebe, der Bruderschaft und des Freundeskreises. Beide Organisationen haben Kontakte in der ganzen Stadt, die bis in die höchsten Regierungskreise reichen. Wenn Ihr jetzt noch die Tatsache berücksichtigt, dass derjenige, der das Medaillon zuerst gestohlen hat, genau wusste, was ihm da in die Hände gefallen ist, und vermutlich versucht hat, es an jemanden zu verscherbeln, der seinen Wert ebenfalls sehr genau kannte, dann dürfte ziemlich klar sein, dass diese Angelegenheit kein Geheimnis mehr bleiben wird. Im
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