Der grüne Strahl
wie der physische.
Sofort bemühte er sich, seinem Begleiter alle mögliche Sorgfalt angedeihen zu lassen. Es war das der Besitzer der Schaluppe, den übrigens ein herzhafter Schluck Brandy bald wieder zu sich und halbwegs auf die Füße brachte.
»Herr Olivier! sagte er halblaut.
– Ach, mein wackerer Seemann, antwortete der junge Mann, der schreckliche Wellenschlag…
– Hat mir nichts zu Leid gethan; hab’s gelegentlich schlimmer erlebt; ‘s ist ja schon nichts mehr davon zu sehen….
– Gott sei Dank… Aber meine Unbesonnenheit, immer noch weiter vorwärts zu drängen, wäre uns bald theuer zu stehen gekommen!… Endlich sind wir gerettet!
– Mit ihrer Hilfe, Herr Olivier!
– Nein… mit der Hilfe Gottes!«
Der junge Mann drückte dabei den alten Seemann an die Brust und versuchte gar nicht, die Erregung zu verbergen, welche die Zuschauer dieser Scene nicht wenig rührte.
Darauf wandte er sich zu dem Capitän des »Glengarry«, eben als dieser die Commandobrücke herabkam.
»Herr Capitän, ich weiß nicht, wie ich Ihnen den Liebesdienst, den Sie uns erwiesen, vergelten soll…
– Mein Herr, ich that nichts als meine Pflicht, und aufrichtig gesagt, haben meine Passagiere mehr Anspruch auf Ihre Dankbarkeit, als ich selbst.«
Der junge Mann drückte herzlich die Hand des Capitäns, zog dann den Hut und begrüßte die Passagiere mit eleganter Verbeugung.
Unbedingt wären ohne Dazwischenkunft des »Glengarry« er und sein Begleiter, nachdem der Strudel von Corryvrekan sie einmal gepackt hatte, rettungslos verloren gewesen.
Miß Campbell hatte es während des Austausches dieser Höflichkeiten für angezeigt erachtet, sich etwas zurückzuziehen. Sie wünschte es zu vermeiden, daß der ihr gebührende Theil an der glücklichen Durchführung dieser fast dramatischen Lebensrettung nicht besonders hervorgehoben würde. So hielt sie sich mehr auf dem Vordertheil des Spardecks, als ihr plötzlich, als ihre Phantasie aus dem Schlummer erwachte, während sie sich nach Westen hinwandte, die Worte entfuhren:
»Und der Strahl?… Die Sonne?…
– Es ist keine Sonne mehr da, sagte Bruder Sam.
– Und also ist auch kein Strahl mehr zu sehen,« setzte Bruder Sib hinzu.
Ja, jetzt war’s zu spät. Die hinter einem Horizont von wunderbarer Klarheit versunkene Gluthscheibe hatte ihren letzten Grünen Strahl schon in den Weltraum entsandt. In dem betreffenden Augenblick beschäftigten sich Miß Campbell’s Gedanken freilich mit etwas ganz Anderem; ihr zerstreutes Auge hatte diese Gelegenheit vorübergehen lassen, welche sich vielleicht in langer Zeit nicht wieder bot.
»Das ist schade!« murmelte sie, übrigens ohne viel Bedauern in Betrachtung dessen, was eben Alles geschehen.
Inzwischen machte der »Glengarry« die nöthigen Evolutionen, um aus der Corryvrekan-Straße frei zu kommen, und schlug den früheren Cours nach Norden wieder ein. Jetzt kletterte der alte Seemann, nach Auswechslung eines letzten Händedrucks mit seinem vorherigen Begleiter, nach der Schaluppe hinunter und segelte, als ob gar nichts vorgefallen wäre, nach der Insel Jura zurück.
Der junge Mann selbst, dessen »Dorlach«, eine Art lederner Reisesack, an Bord geschafft worden war, bildete nun einen Touristen mehr, den der »Glengarry« nach Oban beförderte.
Die Inseln Shuna und Luing, auf denen sich die reichen Schieferbrüche des Marquis von Breadalbane befinden, zur Rechten lassend, glitt der Dampfer an der Insel Seil vorbei, welche diesen Theil der schottischen Küste schützt; bald nachher in den Firth of Lorne eindringend, wand er sich zwischen der vulkanischen Insel Kerrera und dem offenen Lande dahin und warf, mit dem letzten Schimmer der Abenddämmerung, an dem Pfahldamme des Hasens von Oban seine Sorrtaue aus.
Siebentes Capitel.
Aristobulus Ursiclos.
Wenn Oban auch einen ebenso großen Zusammenfluß von Badegästen nach seinem Strande gelockt hätte, wie die so stark besuchten Küstenstationen von Brigthon, Margate oder Ramsgate, eine so werthvolle Persönlichkeit wie Aristobulos Ursiclos hätte darunter nicht unbemerkt bleiben können.
Ohne sich zu der Höhe seiner Rivalen zu erheben, ist Oban nichtsdestoweniger ein von den Müßiggängern des Vereinigten Königreichs gern aufgesuchter Badeort. Seine Lage an der Meerenge von Mull, sein Geschütztsein vor den scharfen Westwinden, deren directe Einwirkung die Insel Kerrera abhält, zieht eine Menge Fremder hierher. Die Einen kommen wohl, sich in dem heilsamen Wasser
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