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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wirklich zu stärken, Andere lassen sich hier gleichsam an einem Centralpunkt nieder, von dem die Wege nach Glasgow, Inwerneß und nach den merkwürdigsten Inseln der Hebriden ausstrahlen Es verdient auch hervorgehoben zu werden, daß Oban nicht wie mancher anderer Badeplatz, eine Art Hospital darstellt; die Meisten, welche hier die warme Jahreszeit zu verbringen lieben, sind völlig gesund, und man riskirt nicht, wie an gewissen anderen Badeplätzen, seinen Whist mit zwei Kranken und einem Todten zu spielen.
    Obans Existenz reicht kaum auf fünfzig Jahre zurück; es trägt deshalb in der Lage seiner Plätze, in der Einrichtung der Häuser und der Anordnung der Straßenzüge ganz den Stempel der Neuzeit. Doch bietet seine Kirche, eine Art normanisches Bauwerk, mit hübschem Glockenthurm, das alte von dichtem Epheu umrahmte Schloß von Dunolly, dessen Gemäuer sich nach Norden zu auf einem losgerissenen Felsblocke erhebt, ferner das Panorama seiner weißen Häuser und bunten Villen, die verstreut aus der Hügelreihe hinter der Stadt hervorblinken, endlich das ruhige Wasser seiner Bucht, auf der sich nicht wenige elegante Lustyachten schaukeln, Alles das im Verein ein liebliches, abwechslungsreiches Bild.
    In diesem Jahre, und vor Allem im Monat August, mangelte es der kleinen Stadt nicht an Touristen oder Badegästen. In der Fremdenliste eines der besten Gasthäuser konnte man schon seit einigen Wochen unter anderen mehr oder weniger bekannten Namen auch den des Herrn Aristobulos Ursiclos aus Dumfries (Nieder-Schottland) lesen.
    Es war das eine »Personnage« von achtundzwanzig Jahren, welche niemals jung gewesen zu sein und niemals alt zu werden bestimmt schien. Der Mann hatte das Licht der Welt unzweifelhaft gleich in dem Alter erblickt, in dem er sich später gleichbleibend halten sollte. Sein Auftreten nahm weder für, noch gegen ihn ein; von Gesicht war er »gewöhnlich«, wie es in Steckbriefen heißt, von Haar für einen Mann etwas zu blond; unter seiner Brille leuchteten ein Paar kurzsichtige Augen; dazu hatte er eine kurze Nase, welche man gar nicht für die richtige Nase seines Gesichtes hielt. Von den hundertdreißigtausend Haaren, welche jeder menschliche Schädel nach den neuesten Erfahrungen tragen soll, waren ihm höchstens noch sechzigtausend übrig geblieben. Eine Krause von Barthaar umrahmte ihm Wangen und Kinn, was seinem Gesicht etwas von dem eines Affen verlieh. Wäre er ein solcher gewesen, so hätte man ihn einen hübschen Affen nennen und vielleicht als den bezeichnen können, der in der Stufenleiter der Darwinisten noch fehlt, um als Verknüpfung des Thiergeschlechts mit der Menschheit zu dienen.
    Aristobulos Ursiclos war reich an Gut und Geld, aber noch reicher an Ideen. Viel zu unterrichtet für einen jungen Gelehrten, der oft nichts Anderes weiß, als Jedermann mit seiner allumfassenden Weisheit zu langweilen, graduirt auf den Universitäten Oxford und Edinburghh, vereinigte er in sich mehr Kenntnisse der Physik, Chemie, Astronomie und Mathematik, als solche der Literatur. Im Grunde ziemlich anspruchsvoll, fehlte ihm oft nicht gar viel zum vollständigen Narren. Seine Hauptmanie oder seine Monomanie, wie man eben will, war es, zur ungeschickten Zeit und am unpassendsten Orte Aufklärung über Alles zu geben, was mit der Naturgeschichte in irgend welchem Zusammenhange stand; mit einem Worte, er war Pedant mit manchmal recht unliebenswürdigen Eigenschaften. Man lachte nicht gerade direct über ihn, weil er selbst nicht lachensfähig war, vielleicht aber hinter seinem Rücken, weil dieser Mangel eben lächerlich erschien. Niemand wäre minder würdig gewesen als dieser junge Mann, eigentlich gefälscht junge Mann, sich die Devise der englischen Freimaurer:
Audi, vide, tace!
(Höre, sieh’ und schweige) zuzulegen. Er hörte nicht, er sah nicht und er schwieg niemals. Um einen Vergleich zu gebrauchen, der im Lande Walter Scott’s ganz angebracht erscheint, erinnerte Aristobulos Ursiclos mit seinem positiven Industrialismus mehr an den Landrichter Nicol Jarvie, als an dessen poetischen Vetter Rob-Roy Mac-Gregor.
    Welche Tochter der Hochlande, Miß Campbell nicht ausgenommen, hätte aber Rob-Roy nicht dem Nicol Jarvie vorgezogen?
    So war Aristobulos Ursiclos Wie hatten die Brüder Melvill nur auf diesen Pedanten verfallen können, um ihn gar zu ihrem gesetzmäßigen Neffen zu erhöhen? Wie konnte er überhaupt den würdigen Sechzigern Gefallen einflößen? Vielleicht einzig und allein dadurch,

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