Der grüne Tod

allein in der südwestlichen Ecke des Restaurants, doch trotz des damit verbundenen Abstands vom emotionalen Output seiner Mitgäste hätte er auch geradeso gut mitten unter ihnen sitzen können. Nicht er hatte sich für diese Isolation entschieden, sondern vielmehr die anderen Besucher. Sie gingen ihm aus dem Weg, und nicht er ihnen.
    Es hatte keineswegs etwas mit seinem Erscheinungsbild zu tun. Groß, schlank, doch wohl proportioniert, mit rotem Haar und grünen Augen, war er ein durchaus gut aussehender, ja sogar attraktiver junger Mann. Sehr zu seiner Erleichterung waren inzwischen auch fast alle Pickel verschwunden, die ihn seit frühester Jugend geplagt hatten.
    Die naheliegendste Erklärung für seine Abgeschiedenheit war wohl, dass die übrigen Gäste sich am anderen Ende des Restaurants zusammengeschart hatten, um der Aufmerksamkeit der farbenprächtigen geflügelten Schlange zu entgehen, die gerade um den Tisch ihres Herrn herumflatterte und nach Essensresten Ausschau hielt. Obwohl die xenozoologischen Kenntnisse der anderen Besucher vermutlich eher begrenzt waren, hatten sich offenbar einige von ihnen daran erinnert, dass eine grelle Farbgebung bei vielen primitiven Geschöpfen ein Indikator dafür war, dass es sich hierbei um Raubtiere handelte. Da war es besser, kein unnötiges Risiko einzugehen und sein Mittagessen in größtmöglicher Entfernung zu dem Minidrachen einzunehmen.
    Pips spitze Zunge schnellte über die Tischplatte, um einen Brocken braunen Rohzucker zu kosten. Entzückt über ihre Entdeckung, stürzte sie sich mit einem leichten Vorstoßen des oberen Teils ihres Körpers auf den energiereichen Happen.
    Dem Restaurantinhaber gebührte Dank. Als Flinx in der Eingangstür aufgetaucht war, die fliegende Schlange dekorativ um den linken Arm und um die Schulter gewickelt, hatte der ältere Mann zwar keine Freudensprünge gemacht, sich jedoch geduldig Flinx’ Erklärung angehört: dass der Minidrache schon seit Jahren sein absolut folgsamer Begleiter sei und für niemanden eine Gefahr darstelle. Sich auf das Wort seines jungen Gastes verlassend hatte der unerschrockene Besitzer ihn an einen kleinen, etwas abseits stehenden Tisch geführt. Wider Erwarten konnte man von diesem Platz aus an der großartigen Aussicht des Etablissements teilhaben.
    Samstead war eine friedvolle Welt. Ihre drei großen Kontinente wurden von zahlreichen Flüssen durchzogen, die in Ozeane mündeten, deren Küstenstriche ebenso einladend waren wie ihr Klima. Das Wetter war gemäßigt, wenn nicht gar durchgängig freundlich, die Kolonisten emsig und im Großen und Ganzen zufrieden. Man stampfte Leichtindustrien aus dem Boden, rodete die dichten Wälder, bestellte Tausende von Feldern und rang den Meeren große Mengen an wohlschmeckenden fremdartigen Proteinen ab. In dehydrierter oder gefriergetrockneter Form fanden diese Exportgüter dann verpackt, etikettiert und verladen ihren Weg in weniger ertragreiche Systeme.
    Es war eine Welt mit weiten, flachen Landmassen, die durch zahllose kleine Städte und einige bescheiden anmutende Metropolen miteinander verbunden waren. Obwohl das Luftverkehrsnetz gut ausgebaut war, zogen es die Bewohner vor, auf den unzähligen Flüssen und künstlichen Kanälen zu reisen. Mit vereinten Kräften hatten die ansässigen Menschen und Thranx es geschafft, die Wasserstraßen dieses am Rande des Commonwealth liegenden Planeten in ein komfortables Transportnetz zu verwandeln. Es war ein Ort, den man gern sein Zuhause nannte.
    Das vielleicht Außergewöhnlichste an Samstead war, dass es hier nichts Außergewöhnliches gab. Schon lange hatte Flinx keinen so friedlichen Außenposten der Zivilisation mehr besucht. Schon öfter hatte er ernsthaft in Erwägung gezogen, seine Besuche über ihren ursprünglichen Zweck hinaus auszuweiten, ja, sich vielleicht sogar hier niederzulassen – falls ihm ein solches Leben überhaupt möglich war.
    Es war eine Welt, auf der ein neuer Kolonist vielleicht imstande war, sich in behaglicher Zufriedenheit zu verlieren. Eine Welt, in der selbst er darauf verzichten konnte, ständig diese imaginären Augen in seinem Hinterkopf offen zu halten. Nicht dass Flinx paranoid gewesen wäre, aber so manche bittere Erfahrung hatte ihn vorsichtig werden lassen. Die unvermeidliche Konsequenz, die ein Heranwachsender zu tragen hatte, der, nun ja, immer schon ein wenig anders als die anderen gewesen war.
    Für den Moment genügte es ihm schon, herumzureisen, Eindrücke zu sammeln und