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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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Bei einer Frau in meinem Alter gelingt es jedem neuen Mann, das Leben in einen Anachronismus zu verwandeln. Vielleicht kommt dieses Gefühl, dass die Zeit nicht stimmt, einfach von innen. Mit einer Frau ist diese trostlose Zeitlogik nicht im Spiel.
    Ich kann dir nicht ganz folgen.
    Einer Frau kann man näher kommen als einem Mann, auf diese Weise ist man sich selber näher, und die äußere Zeit berührt einen nicht so sehr, sie bleibt außen vor. Und im Allgemeinen sind Frauen auch viel bessere Liebhaberinnen als Männer. Sie sind verständnisvoll.
    Wollen wir wirklich verstanden werden?
    Ich glaube, wir sehnen uns alle danach, mit dem Instinkt der Liebe verstanden zu werden.
    Hattest du mich verstanden – verstehen ist das Schlimmste
. Eine Gedichtzeile, die sich in seinem Kopf festgesetzt hatte. Aus dem Repertoire des Schauspielers mit der Bassstimme – dessen Untertöne dröhnend wurden, wenn er beim dritten Dubonnet angelangt war.
    Karl Ástuson hatte wahrscheinlich schon länger geschwiegen, als es der übliche Abstand zwischen Repliken erlaubte. Die Liebhaberin dieses Abends zog eine Visitenkarte aus der Tasche und überreichte sie ihm:
    Ruf mich einfach an, wenn dir etwas einfällt, egal was.
    Vielen Dank, sagte er und warf einen Blick auf die Karte.
     
    Doreen Ash
    Fachärztin für Psychiatrie und Psychoanalyse
     
    Er starrte die Visitenkarte an und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie erschrocken er war. Er sagte: Du hast einen schönen Namen, er ist ungewöhnlich.
    Also ungewöhnlich, na, ich weiß nicht, sagte Doreen Ash und sah ihn an wie eine gewiefte Psychiaterin, aber das war sie ja schließlich auch.
    Wie hieß dein Vater mit Vornamen?, fragte Karl.
    Wieso fragst du denn danach?
    Ich bin neugierig.
    Du bist aber ansonsten erstaunlich wenig neugierig. Er hieß Carl.
    Genau wie ich, sagte Karl, aber er schrieb sich wohl kaum mit K.
    Nein, mit C.
    Genial, erklärte Karl Ástuson und musste unwillkürlich lachen.
    Wie wär’s, mir zu sagen, was daran so komisch ist?, sagte Doreen Ash.
    Das ist ein Geheimnis, entgegnete Karl.
    Daran zweifle ich nicht.
    Du bist also Fachärztin für Psychiatrie und Psychoanalyse, sagte Karl Ástuson.
    Ja. Aber ich träume davon, die Praxis aufzugeben. Ich habe die Nase voll von den Krankheiten der Seele. Wenn diese Leute an einem bestimmten Punkt angelangt sind, werden sie unerträglich. Dann ist es überhaupt nicht mehr möglich, logisch mit ihnen zu diskutieren. Sie reden immer über dieselben Dinge, und darum dreht sich alles. Sogar die Planeten. Alle sind Deppen, nur sie nicht. Und immer waren Papa und Mama die Schlimmsten. Es gehört schon eine Riesenportion Masochismus dazu, all diesen Blödsinn über sich ergehen zu lassen. Ich würde viel lieber schreiben.
    Worüber?
    Meine Doktorarbeit handelte von Müttern und Söhnen. Und danach habe ich ein Buch geschrieben, in dem ich dieses Thema vertieft habe. Es hat sich sogar verkauft.
    Wie heißt das Buch?
    Muttersöhne
.
    Wäre es zu kompliziert, die Autorin um eine kurze Zusammenfassung zu bitten?
    Es ist ein internationales Problem, dass Mütter ihre Söhne so übertrieben lieben, dass sie sie zerstören; sie verwöhnen sie zu sehr, sie lieben sie zu sehr, sie schenken ihnen viel zu viel Beachtung und viel zu viele Liebkosungen. Sie machen sie zu Größenwahnsinnigen oder Schwächlingen, im Zweifelsfall sogar zu beidem, und vor allem machen sie sie zu untauglichen Ehemännern und Vätern. Den Ehefrauen bleibt nichts anderes übrig, als sie zu bemuttern wie zuvor die Mütter. Und daraus wird ein Teufelskreis, der erst zu durchbrechen ist, wenn Mütter verstehen, dass sie gefühlsmäßige Frustrationen in der Ehe oder generell in einer Verbindung kompensieren, indem sie sich den Söhnen zuwenden. Und wie gesagt, die Welt ist voll von Schwächlingen und Mutterfixierten, die ihren Zustand damit kaschieren, dass sie Fußball spielen und die Welt in Brand setzen und so viele Frauen wie nur möglich vernaschen, ewig und immer unbefriedigt, weil keine Frau so gut wie die liebe Mama ist.
    Was du nicht sagst, sagte Karl Ástuson. Und was ist dann mit der Theorie, dass alle Problematik der westlichen Welt auf den Sprössling einer kalten Mutter und eines übermächtigen Vaters zurückzuführen ist?
    Du weichst mir aus. In der Wissenschaft ist es aber besser, sich immer nur an eine Theorie auf einmal zu halten. Ich halte mich an die Zerstörungskraft von übermäßiger Liebe.
    Und weshalb?
    Übertriebene Liebe

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