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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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gut für mich wäre.
    Das tut allen gut, mit Ausnahme von Herzkranken. Und du machst mir nicht den Eindruck, als wärst du das.
    Nicht herzkrank also. Der Mann, der nie geheiratet und nie jemanden geliebt hatte, mit Ausnahme von Una seinerzeit, weniger als acht Monate. Der Mann, der sich systematisch die Annehmlichkeit versagte, eine feste Freundin oder eine Ehefrau zu besitzen, nur weil es einmal Una gegeben hatte, weil Una einzigartig war. Nicht nur innig und am meisten geliebt, sondern auch seine einzige Liebe. Weitere würde es nicht geben, könnte es nicht geben.
    Aber warum sich dann nicht verhalten wie alle anderen, die nicht das bekamen, was sie wollten: eine andere Frau nehmen, eine kluge, schöne und bezaubernde Frau. Er hatte hundertzwei Frauen dieser Art kennengelernt, vielleicht sogar mehr, Frauen mit schönen Stimmen, die leise lachten und nicht zu viel redeten und genau so waren, wie sie sein sollten. Die lebhaft waren, aber kein Theater machten. Resolut, aber nicht dominierend. Frauen, die das Leben lebenswerter machen würden. Inhaltsreicher. Er bräuchte einfach nur aus der ganzen Kollektion auszuwählen. Oder? Würde nicht bald schon der Überdruss seine tote Hand über die Verbindung legen, wenn das richtige Gefühl fehlte? Die Grundlage.
    Herzkrank? Der Mann, der nur die eine Wahre lieben konnte, seine Jugendliebe im wahrsten Sinne des Wortes, von dem Augenblick an, als sie mit Schneeflocken im Haar ins Wohnzimmer trat. (Elf Jahre alt, und sie bat ihn weiterzuspielen, als er sich fluchtartig vom Klavierhocker erheben wollte.) Der Mann, der ein musikalisches Geheimzimmer besaß und am liebsten niemandem sagte, dass die Musik sein Leben war, der Mann, der sich das Lied seiner Mutter an ihrem Geburtstag und öfter anhörte und mitsummte. Der Mann, der sich nie damit abgefunden hatte, wie früh sie gestorben war und wie sie gestorben war. Der Mann, der eine Locke von seiner Mutter wie einen Schatz in einer Schachtel aufbewahrte, zusammen mit den Fotos und Nachrufen. Darunter einer von einem berühmten Dichter. Und der einen ramponierten Koffer aufbewahrte, mit einem Strickpullover für ein kleines Mädchen.
    Schwer zu sagen, wie genau es dazu gekommen war, aber nun lag er bereits in dem Extrazimmer im Bett. Er trug einen Schlafanzug, der viel zu weit für ihn war, aus qualitativ hochwertiger, wahrscheinlich ägyptischer Baumwolle, genau wie die Bettwäsche. Ein Bett, als hätte Lotta es bestellt. Und mit einem Oberbett aus Eiderdaunen. Karl Ástuson legte so viel Wert auf isländische Eiderdaunenbetten, dass er, obwohl er allein lebte, drei Stück besaß. Zwei für Erwachsene und eins für ein Kinderbett.
    Sie stand in der Tür und sagte: Wenn du es dir mit der Sauna anders überlegen solltest, sie ist im Keller.
    Vielen Dank.
    Gute Nacht, Karl.
    Gute Nacht.
    Sie machte die Tür zu. Da lag er allein in der Dunkelheit, und er hieß tatsächlich Karl, fühlte sich aber wie der alleingelassene Kalli, wenn Ástamama das Licht gelöscht hatte, bevor er eingeschlafen war. Es konnte nämlich vorkommen, dass sie keine Zeit hatte, ihn einzulullen. Dann deckte sie ihn nur zu, gab ihm einen Kuss auf die Wange und sprach ein Gebet mit ihm, bevor sie das Licht ausschaltete und ihm gute Nacht sagte. Er lauschte auf ihre Schritte, wenn sie die Treppe hinunterging.
    Und dann heulte er vor lauter Selbstmitleid los und schluchzte unter dem Oberbett:
Ástamama wiederkommen, Ástamama einlullen
. Die Tür stand halb auf, und er hörte die Nähmaschine vorwärtsrasen wie einen Skooter auf der Achterbahn, und er hörte die Jas von Ástamama: JAJAJAJAJA - JAJAJAJA - JA , während die Nähmaschine erst an einem Seidenstrand entlangsauste und dann hinauf auf Tweedhöhen und hinunter ins Everglaze-Tal ratterte. So gehorsam und brav war Klein Kalli, dass er nicht ein einziges Mal seiner Mutter nach unten folgte. Er lief auch nicht in seinem Zimmer umher, sondern litt weiter in seinem Bett, so abgründig tief, wie nur Kinder es tun können. Was sie aber vollkommen vergessen, wenn sie größer werden; deshalb können sich Erwachsene nicht in die Leiden von Kindern hineinversetzen – sie haben nicht mehr die Gemütsverfassung, die es braucht, um sich zu erinnern, wie überwältigend man leidet, wenn man klein ist.
    Er war hellwach und sehnte sich nach dem Schlaf, um seinen Zustand zu vergessen. Der steinreiche Karl, der sich eine ganze Lotta leisten konnte und an zwei begehrten Orten auf der Welt Häuser besaß, der Liebhaber

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