Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
er?«
»Er wird den Mund halten. Er wird sagen, er weiß es nicht.«
»Richtig, und dieses Verhalten, das ihn zu Hause davor geschützt hat, verprügelt zu werden, arbeitet nun gegen ihn. Der Lehrer ist nicht glücklich; die anderen Studenten denken, er meine es nicht ernst. Was soll er machen?«
»Reden. Seine Meinung sagen.«
»Und was für eine Art von Gedanken wird dazu führen?«
»Meine Meinung spielt eine Rolle. Hier etwas zu sagen ist in Ordnung. Hier ist es nicht gefährlich.«
»Richtig. Diesen Gedanken, der angesichts der Beweislage und der gegebenen Umstände der richtige ist, muss er akzeptieren und immer wieder aufs Neue wiederholen, ihn im Geist vor sich hinsagen und danach handeln, bis daraus ein Automatismus
wird, eine neue, gesunde Gewohnheit, wie das Schnüren der Schnürsenkel, wie die Sprache.«
Nachdem sie gegangen ist, legt er diese Sitzung in ihrer Akte ab: Die Klientin arbeitet, ist motiviert, gute Kooperation. Beginn der Arbeit an kognitiver Restrukturierung, den Prinzipien des akkuraten Denkens. Bevor er die Praxis verlässt, geht er noch einmal an seinen Schreibtisch, beugt sich darüber und sieht, dass eine neue E-Mail angekommen ist, von Nina. Er setzt sich hin, um sie zu lesen.
Mir hat es ebenfalls gut gefallen. Es tut mir leid, dass ich nicht mehr geben konnte. Und (vielleicht) dass ich nicht mehr trinken konnte. In der Anlage ein Foto von Billie mit ihrem neuen Teddybären. Er heißt von nun an Teddy, was bedeutet, dass wir es aufgegeben haben, Originalitätswettbewerbe gewinnen zu wollen, aber den Schönheitswettbewerb, wie Du auf dem Bild sehen kannst, gewinnen wir im Handumdrehen. Pass auf Dich auf (aus der Nähe) und auch auf Deine Stripperin (aus sicherer Distanz). Deine Nina
Sein Blick bleibt an diesen letzten zwei Worten hängen. Er lässt sie sich auf der Zunge zergehen, nimmt ihre Süße in sich auf, ihre Spritzigkeit. Er denkt daran, auf der Stelle zurückzuschreiben, doch ihm fällt keine passende Antwort ein. Er gibt es auf, schaltet den Computer aus, schließt seine Praxis ab, setzt sich in seinen Wagen und fährt nach Hause.
18
D iejenigen unter Ihnen, die noch wach sind, schließen bitte für einen Moment die Augen«, sagt der Psychologe zu seinen Studenten. Er sieht sich prüfend im Raum um. Sie gehorchen, alle außer Jennifer, deren Misstrauen sie nicht loslassen lässt. Er schreibt an die Tafel:
Lesen Sie nicht diesen Satz
»Gut, öffnen Sie die Augen«, sagt er. Sie sehen ihn an, und er deutet auf die Tafel. Eric stöhnt abschätzig auf und Jennifer beugt sich vor, um etwas auf ihren Block zu notieren.
»Selbst wenn Sie dem nachkommen wollten, tun wollten, was man Ihnen sagt, werden Sie es nicht können. Warum ist das so?«
Die Klasse schweigt. Ein Stuhl quietscht.
»Weil wir wissen …«, zwitschert das pinkhaarige Mädchen.
»Was wissen?«
»Wie man Englisch spricht?«, murmelt sie.
»Ja. Und dieses Wissen hält Sie gefangen. Sie können ihm nicht entkommen. Was Sie wissen, können Sie nicht un-wissen. Das ist der Grund, warum Wissen gefährlich ist. Das Erlernte wird Ihre Welt neu definieren, unwiderruflich. Passen Sie auf.« Er tritt an den Computer.
Hinter ihm auf dem Schirm werden Ziffern sichtbar.
8 – 1 – 5 – 9 – 7 – 4 – ?
Er deutet darauf. »Diese einstelligen Zahlen sind nach einem unbekannten logischen Muster angeordnet; wenn Sie es erkennen, dann wissen Sie auch, wie die letzte noch fehlende Ziffer lautet.«
Sie beugen sich über ihre Unterlagen, kritzeln, rechnen, kratzen sich die Köpfe.
Nach einigen Minuten unterbricht er sie und sagt: »Die richtige Antwort, ich wette, es ist keiner draufgekommen, ist zwei. Die letzte Zahl muss eine Zwei sein.«
»Nach welcher Logik?«, fragt Jennifer, sichtlich verstört durch ihr offensichtliches Versagen, den Code zu knacken.
»Die Logik«, sagt er, »besteht darin, dass wir es hier nicht mit einem numerischen Problem zu tun haben.«
»Mit was für einem Problem dann?«, fragt Jennifer.
»Mit einem Wort-Problem«, sagt er. Sie sehen ihn misstrauisch an.
»Ein Wort-Problem?«, zwitschert das pinkhaarige Mädchen.
Er nickt: »Wenn Sie die Namen der Ziffern buchstabieren, werden Sie schnell erkennen, dass sie in alphabetischer Reihenfolge stehen: A cht, E ins, F ünf, N eun, S ieben, V ier … Und die einzige Zahl zwischen Null und Neun, die mit einem Buchstaben beginnt, der nach V kommt, ist natürlich Z wei.«
»Natürlich«, murmelt Jennifer.
Er macht eine
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