Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
sich ein bisschen an Ihnen rächen, weil sie wütend ist über die Trennung. Vielleicht redet sie einfach nur drauflos oder wiederholt etwas, das sie gehört hat. Vielleicht haben Sie sie nicht richtig verstanden. Vielleicht haben Sie noch etwas anderes gehört, etwas dem Entgegengesetztes, das Sie sich entschieden haben zu vergessen. Vielleicht ist dies eine Gelegenheit, ihr zu erklären, dass Sie ihr nicht böse sind …«
»Gut, ich verstehe, Ihnen gehen ja die Pferde durch.«
»Entschuldigung.«
»Ist schon in Ordnung«, sagt sie lächelnd.
»Die Gedanken, für die Sie sich entscheiden, bestimmen, wie Sie sich fühlen und was Sie tun. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich umzusehen, bevor man etwas kauft.«
»Mich umsehen?«
»Ja. Ich möchte, dass Sie den Prozess bei der Auswahl Ihrer Gedanken genau so betrachten wie den Prozess bei der Auswahl eines neuen Paars Schuhe. Sie mögen Schuhe, nicht wahr?«
»Es ist Ihnen aufgefallen.«
»Ja. Wenn Sie ein Schuhgeschäft betreten, kaufen Sie dann das erstbeste Paar?«
»Nein.«
»Richtig. Das Erste ist nicht unbedingt das Beste. Das Gleiche gilt für Ihre Gedanken. Der erste Gedanke, der Ihnen in den Sinn kommt, ist nur das, der erste. Er ist nicht unbedingt der für Sie richtige. So, und wie entscheiden Sie nun, welche Schuhe Sie kaufen wollen?«
»Ich gehe durch das Geschäft und vergleiche.«
»Sie vergleichen, auf welcher Grundlage?«
»Die Marke, die Größe, die Passform, die Machart, der Preis.«
»Korrekt. Sie suchen nach Beweisen, Informationen, die Ihnen helfen, bewusst zu entscheiden, welcher Schuh für Sie am besten ist.«
»Ja.«
»Bei der Auswahl Ihrer Gedanken müssen Sie dieselbe Methode anwenden. Ihr Gehirn ist ein Gedankengeschäft. Jedes Mal, wenn Sie sich ängstigen oder niedergeschlagen sind, entspringt dieses Gefühl einem Gedanken, den Sie gekauft haben. Ein schlecht sitzender Gedanke wird Sie schmerzen wie ein schlecht sitzender Schuh. Deshalb müssen Sie Ihre Gedanken, Ihre Interpretation der Ereignisse überprüfen.«
»Sie wollen, dass ich mir über meine eigenen Gedanken Gedanken mache?«
»Genau.«
»Das ist schwierig …«
»So zu leben, wie Sie das gerade tun, in Angst und Schmerz, ist ebenfalls schwierig. Die Wahl in diesem Leben besteht nicht zwischen einfach und schwierig, sondern zwischen unterschiedlichen Härten, zwischen einer Härte, aus der Weisheit, Mitgefühl und Barmherzigkeit entstehen, und einer Härte, die sich endlos wiederholt.«
»Ich dachte, Ihr Psychologen hättet es mit dem positiven Denken.«
»Wir haben es mit genauem Denken. Ihre Denkgewohnheiten sind wie Ihre Haltungsgewohnheiten. Wenn Sie stundenlang mit krummem Rücken vor dem Computer sitzen, werden Sie eines Tages Rückenschmerzen bekommen. Um sie loszuwerden, werden Sie lernen müssen, aufrecht zu sitzen, in guter Haltung. Falsche Denkgewohnheiten verursachen mentalen Schmerz und müssen deshalb verändert werden. Genaues Denken ist eine Gewohnheit, die Sie sich aneignen können, allerdings nur durch tägliche Übung.«
Sie richtet sich auf dem Sofa unwillkürlich auf.
»Manchmal«, sagt der Psychologe, »mögen gewisse Gewohnheiten funktioniert haben, bis sie es nach einer zeitlichen oder örtlichen Veränderung nicht mehr tun. Denken Sie zum Beispiel an einen Jungen, der bei einem Elternteil aufwächst, der ihn misshandelt. Jedes Mal, wenn dieser Junge versucht, sich auszudrücken, darzulegen, was er denkt, schlägt ihn dieser Vater oder diese Mutter und macht sich über ihn lustig und sagt ihm, er solle den Mund halten. Wenn der Junge schlau ist, was lernt er daraus?«
Sie ist ein wenig erschrocken. Er beobachtet sie und fragt sich, ob er sich zu nah an ihren Schmerz herangewagt hat, aber sie schürzt die Lippen, schluckt die Tränen hinunter und sagt: »Er wird lernen, den Mund zu halten.«
»Ja, das ist sein Verhalten, aber was für Gedanken kann das bei ihm auslösen?«
»Meine Meinung ist nicht wichtig. Es ist gefährlich zu sagen, was ich denke.«
»Richtig, und nach ein paar solchen Jahren wird dieser Gedanke automatisch wie die Sprache. Und lassen Sie uns annehmen, das Kind wird erwachsen, verlässt sein Zuhause und geht ans College. Dort ist der Junge an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit, doch seine Gewohnheiten trägt er mit sich. Und so sitzt er in der Klasse, und der Professor wendet sich an ihn und stellt ihm eine Frage. Welcher Gedanke kommt zuerst in ihm hoch?«
»Sag nichts. Gefahr.«
»Und was tut
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