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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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verhedderten Knoten zu lösen? Auch der Klient kann mit dieser Idee etwas anfangen, erkennt sie leicht in anderen Lebensbereichen, vom Sex über eine rege Darmtätigkeit bis hin zu Justizdramen im Fernsehen, wo ein exzellenter Anwalt die ultimative Frage oder ein bisher übersehenes Beweisstück aus dem Hut zaubert, das das Lügengespinst des Schurken auf der Stelle zerreißt. Auch für diesen Dünkel dürfen wir Herrn Sigmund verantwortlich machen, der in seinem messianischen Eifer den Stempel dieser Darstellungsweise nicht nur dem therapeutischen Ethos aufgedrückt hat, sondern auch dem allgemeinen Verständnis, wodurch diese Darstellungsweise heute als selbstverständlich betrachtet wird.«
    Er hält inne und hebt die Hand.
    »Die Urknalltheorie hat bildhaften Charakter. Sie ist der Traum vom edlen Prinzen, der die schlafende Schönheit wachküsst und sie mit sich fortnimmt in ein Leben in Reichtum und Glück. Es ist der Traum vom Lottogewinn. Doch auf den Traumprinzen zu warten ist keine ernsthafte Strategie für den Aufbau einer Beziehung. Und die Hoffnung auf einen Lottogewinn ist kein ernsthafter Plan, auf den man seine finanzielle
Zukunft bauen sollte. Und Therapie ist hier, in unserer Welt, etwas ganz anderes. Sie müssen in Erinnerung behalten und akzeptieren: Es gibt keine läuternde Einsicht. Es gibt keinen Zauberstab. Es gibt keinen Urknall, nur kleine Beben, jedes für sich bedeutungslos, wie subatomare Partikel, die keine eigene Masse besitzen, sondern sie aufgrund ihrer Bewegung durch das All erst erschaffen. Und selbst wenn es eine Katharsis gibt, setzt der wahre Heilungsprozess später ein, nach dem Kuss, nach dem Erwachen, nach der Einsicht und der Metapher, und ist eingebettet in die graue Tretmühle tagtäglichen Übens, in das Erlernen einer neuen Sprache, stotternd und mit zusammengebissenen Zähnen.«

17
    K onzentrieren wir uns auf Ihre Denkweise«, sagt er zu der Vier-Uhr-Klientin. »Unsere Gedanken übersetzen äußere Ereignisse in innere Bedeutung. Ist diese Übersetzung ungeschickt und verzerrt, dann resultieren für uns daraus Verwirrung und Irrtum. Gedanken sind wie Viren. Wir alle lernen die Bedeutung körperlicher Hygiene, um unseren Körper zu schützen. Sie wissen, wie wichtig es ist, die Hände zu waschen, beim Husten die Hand vor den Mund zu halten, sich die Zähne zu putzen. Doch niemand lehrt Sie mentale Hygiene. Das Problem ist, dass ein unzutreffender Gedanke, der in Ihr Denken eindringt, einem Virus gleicht, das in Ihren Blutstrom gelangt ist. Es kann Schmerz, Leid und Tod zur Folge haben. Nehmen wir einmal an, Sie wären in einer Winternacht allein zu Hause im Bett und hörten plötzlich vor Ihrem Fenster ein lautes Plumpsen. Das ist ein Ereignis. Wie werden Sie reagieren? Nun, das wird davon abhängen, was Sie selbst sich zu diesem Lärm sagen. Wenn Sie sich sagen: Das ist nur Schnee, der vom Dach gerutscht ist, dann werden Sie sich umdrehen und in Ruhe weiterschlafen. Doch wenn Sie denken: Da ist ein Einbrecher an meinem Fenster, der versucht, ins Haus zu gelangen, dann werden Sie von Angst und Panik gepackt und greifen zum Telefon oder nach Ihrem Gewehr. Nehmen wir ein spezifisches Beispiel aus Ihrem eigenen Leben. Vor zwei Wochen kamen Sie hierher und fühlten sich niedergeschlagen, weil …«
    »Meine Tochter sagte, sie liebe ihren Vater mehr als mich.«
    »Richtig. Aber das war nicht der Grund für Ihre trübe Stimmung. Der Grund für Ihre Stimmung war Ihre Interpretation der Aussage Ihrer Tochter, die Bedeutung, die Sie sich entschieden haben, ihr zu verleihen. Wir wollen Ihren inneren Monolog nachvollziehen. Als das Mädchen das sagte, was dachten Sie da?«
    »Dass sie mich nicht liebt; dass ich sie verliere, dass ich eine schlechte Mutter bin.«
    »Gut. Jetzt sehen Sie sich diese Interpretationen einmal an. Es handelt sich dabei um Gedanken, und Gedanken sind keine Tatsachen, sondern Vermutungen, Hypothesen. Und Hypothesen müssen überprüft werden, bevor sie als Wahrheit anerkannt werden. Vielleicht ist es möglich, das, was Ihre Tochter gesagt hat, anders zu interpretieren.«
    »Und wie?«
    »Dass Kinder ihre Meinung von einer Minute zur anderen ändern. Kommt es nicht vor, dass sie weint und schreit, als ginge die Welt unter, und dann fällt ihr Blick auf ein Stück Schokolade, und plötzlich strahlt sie? Oder Sie könnten denken, dass sie Sie testet. Vielleicht fühlt sie sich nicht richtig geliebt und überträgt dieses Gefühl auf sie. Vielleicht will sie

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