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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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finden, ihre Gunst zu gewinnen, mit in stillem Entsetzen aufgerissenen Augen und einer elementaren Selbstbehauptung, als wäre die Zurückweisung ein Signal, nicht aufzugeben, sondern seine Bemühungen zu verdoppeln. Vielleicht fährt auch sie, seine Vier-Uhr-Klientin, auf der Grundlage ihrer Erfahrungen damit fort, immer wieder gegen den Ursprung ihrer Qualen anzustürmen.

23
    I hre Hausaufgaben«, sagt er.
    Die Vier-Uhr-Klientin reicht ihm ein zerknittertes Blatt. Er liest es aufmerksam und wirft ihr dann einen wohlwollenden Blick zu. »Sie arbeiten hart und couragiert«, sagt er. »Sie haben Fortschritte gemacht.«
    »Anfangs war es hart«, sagt sie. »Ich habe geschwitzt und gezittert. Aber ich habe weitergemacht. Angstjägerin, wie Sie gesagt haben. Sie haben recht. Nach einer Woche hatte ich diese Angstgefühle nicht mehr.«
    »Und was kam dann?«
    »Andere Gefühle.«
    »Als da wären?«
    »Ahh … Trauer.«
    »Trauer«, sagt der Psychologe, »ist das Gefühl, das Sie empfanden. Das ist die Information. Das schauen wir uns genauer an. Was machen Sie damit? Laufen Sie vor der Trauer weg?«
    »Nein.«
    »Ignorieren Sie sie?«
    »Nein.«
    »Verleugnen Sie sie?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Ich nehme sie an. Akzeptiere sie.«
    »Weil?«
    »Weil vor dem Schmerz davonzulaufen den Schmerz verstärkt
und mich selbst schwächt. Weil ein Gefühl, das man zu verleugnen versucht, nur umso stärker an einem klebt, wie Sie gesagt haben.«
    »Sie haben gut gearbeitet«, sagt er. »Sehr gut. Machen Sie noch eine Woche so weiter, und dann sehen wir, was geschieht.«
    Sie nickt, beißt sich auf die Lippen.
    »Ich möchte zu einem anderen Thema kommen«, sagt er. »Sie erinnern sich, dass wir vor einigen Wochen über Ihre Beziehung zu Ihrer Tochter gesprochen haben, zu Michelle. Sie erzählten mir, dass Sie das Gefühl haben, sie stehe ihrem Vater näher, dass sie ihn lieber möge als Sie.«
    »Ja.«
    »Und in der Vergangenheit haben wir auch über Ihre Haltung gegenüber Ihrer Arbeit gesprochen, und Sie sagten, Sie hätten das Gefühl, tanzen zu müssen, um Geld zu verdienen für den Versuch, Ihr Kind zurückzugewinnen.«
    »Ich werde es nicht nur versuchen, ich werde sie zurückgewinnen. Er wird mich nicht davon abhalten, dieser Schläger. Das Gericht wird mich nicht davon abhalten. Die fette Kuh, seine Mama, und alle ihre Tricks und Beziehungen werden mich nicht davon abhalten. Das Mädchen gehört mir. Jeder verdient eine zweite Chance, und ich bin ein Mensch, wie Sie gesagt haben. Ganz und gar Mensch, kein Unmensch. Kein halber Mensch.«
    »Richtig. Sie haben das Herz auf dem rechten Fleck. Sie sind in der Tat ein vollgültiger Mensch mit vollgültigen Rechten, einschließlich des Rechts, Ihr Kind großzuziehen, und das ist es, wofür Sie hier arbeiten. Und ein Teil dieser Arbeit besteht darin, Ihr Verständnis Ihrer selbst zu verbessern. Wissen ist Macht. Sich selbst zu verstehen bedeutet emotionale Macht.«
    »Ich werde stärker«, sagt sie. »Ich spüre es.«

    »Ja, und jetzt müssen wir tiefer gehen. Die menschliche Seele ist komplex. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen. Wie im Fall der Kühe, deren komplexe Mägen man sich vom äußeren Anblick her nicht vorstellen kann.«
    Sie lächelt.
    »Sie sagen, Sie möchten Michelle zurückhaben, von ganzem Herzen.«
    »Ja.«
    »Sie ist aber zurzeit nicht bei Ihnen.«
    »Nein, aber …«
    Ohne auf die Gründe einzugehen, unterbricht er sie. »Betrachten wir die Situation, wie sie jetzt ist. Sie ist nicht bei Ihnen. «
    »Richtig.«
    »Und Sie haben das Gefühl, sie liebe ihren Vater mehr als Sie.«
    »Ja, denn er hat …«
    »Wieder gibt es Gründe, ich weiß. Aber lassen Sie uns bei der Situation bleiben, wie sie gerade ist.«
    »In Ordnung.«
    »Und Sie tanzen in einem Nachtclub.«
    »Ich brauche das Geld.«
    »Ja, jeder braucht Geld. Sie haben sich ein neues Auto gekauft. «
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Ein neues Auto kostet Geld.«
    Sie sagt nichts.
    Er beugt sich zu ihr. »Sagen Sie mir, worauf ich hinauswill.«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er sieht sie an und wartet. »Raten Sie.«
    »Ich weiß es nicht; ich weiß es nicht.« Ihre Miene verdüstert
sich. »Was wollen Sie eigentlich? Was hat das mit mir zu tun? Ich muss wieder zurück auf die Bühne.«
    »Wozu?«
    »Damit ich sparen kann, für einen Anwalt, fürs College, um Michelle zurückzugewinnen, umzuziehen …«
    »Vielleicht, aber lassen Sie uns das genauer betrachten. Die Dinge sind

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