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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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gegen die Windschutzscheibe. Er schüttelt weißen Pulverschnee von seinem Mantel und dreht den Schlüssel im Zündschloss. Ein kreischendes Heulen steigt aus den rostigen Tiefen des Motors auf, dann gibt es ein klickendes Geräusch. Er dreht den Schlüssel erneut, und dieses Mal hört er ein asthmatisches Husten, ein schwaches Pfeifen, und der Motor gibt auf und stirbt ab. Der Psychologe seufzt und hievt sich aus dem Sitz. Er wandert um die treulose Kiste herum. Ein plötzlicher Windstoß wirft ihn nach hinten und brennt ihm im Gesicht. Er gewinnt das Gleichgewicht zurück und sieht sich um. In der Kurve am Rand des Parkplatzes erkennt er die Scheinwerfer eines näher kommenden Autos. Er folgt den Lichtern mit den Augen. Es wäre sinnlos zu rufen, außerdem unangemessen. Der Wagen ist zu weit entfernt, um hinter ihm herzulaufen. Während er in Gedanken alle Möglichkeiten
durchgeht, hält der Wagen plötzlich an, wendet und fährt auf ihn zu, die Reifen schleudern kleine Eissplitter in die Luft. Der Wagen hält neben ihm, das Fenster fährt herunter, und über dem lauten Pochen eines schweren Basses hört er eine vertraute Stimme: »Brauchen Sie Hilfe, Professor?«
    »Eric«, sagt er, »der rechte Mann zur rechten Zeit. Ich glaube, meine Batterie ist tot.«
    »Ich seh mal nach.« Der stämmige junge Mann rutscht vom Sitz, klatscht ein paarmal in die Hände, und seine Stimme wird lauter und ist plötzlich von einer eifrigen Fröhlichkeit erfüllt. »Öffnen Sie die Haube«, sagt er. Er tritt vor das Auto, öffnet die Motorhaube und zieht eine kleine Taschenlampe aus der Jackentasche. Er beugt sich über den Motor und summt dabei eine fröhliche Melodie vor sich hin. »Ein echtes Schrottauto, Professor«, sagt er. »Ich dachte, mit Ihrem Gehalt könnten Sie sich was Neueres leisten. Aber wahrscheinlich stehen Sie auf Gebrauchtwagen.« Er kichert in sich hinein, lächelt in einsamem Dialog mit dem Motor.
    »Okay«, sagt er schließlich. »Wir brauchen einen Stein.«
    »Einen Stein?«
    »Ja«, sagt er gut gelaunt, »dort im Gebüsch, bringen Sie mir bitte einen Stein, wenn Sie so freundlich sein wollen.«
    Der Psychologe geht zum Rand des Parkplatzes, gräbt einen mittelgroßen Stein aus und trägt ihn zu Eric. Eric richtet sich auf, nimmt den Stein und sagt mit einem breiten Lächeln:
    »Okay, setzen Sie sich hinein, und wenn ich sage jetzt , drehen Sie den Zündschlüssel.«
    Der Psychologe gehorcht. Eric verschwindet unter der Haube und schlägt irgendwo dagegen, einmal und noch einmal, mit einem dumpfen Schlag. Schließlich tritt er zurück und sagt:
    »Los, Professor, jetzt.«

    Der Psychologe dreht den Schlüssel, und einerseits überraschend, andererseits auch wieder nicht, kommt mit einem Gähnen und einem Blinzeln, einem verzeihungsheischenden Niesen und einem kurzen Gebell Leben in den Motor. Eric reckt die Faust in die Luft, stößt einen Jubelschrei aus und macht sich daran, die Haube zu schließen. Der Psychologe geht auf ihn zu, um ihm zu gratulieren, und streckt die Hand aus.
    »Danke«, sagt er zu dem schwer atmenden jungen Mann, »Sie haben mich gerettet.«
    »Das war gar nichts, Professor, wirklich«, lächelt Eric. »Aber vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, sich neue Reifen anzuschaffen. « Er macht eine Kopfbewegung in Richtung des brummenden Wagens. »Wie auch immer, es war eine gute Stunde. Ich mag Ihre Vibes. Passt.«
    »Danke«, sagt der Psychologe, »ja, passt … Ich sehe Sie dann nächste Woche.«
    Er wendet sich langsam seinem Auto zu.
    Eric kratzt sich am Kopf: »Noch etwas, Professor, da wir schon einmal hier sind.«
    Der Psychologe dreht sich um: »Ja, sicher.«
    »Es ist wegen Jennifer.«
    »Jennifer?«
    »Sie ist anders als wir, Professor.«
    »Als wir?«
    »Sie nimmt sich die Dinge zu Herzen. Sie ist, wissen Sie, sensibel. Wissen Sie, die Dinge, die Sie sagen, sie … sie versteht nicht immer den Humor.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Nein, nein«, er stampft mit den Füßen auf den Boden, reibt die Handflächen gegeneinander. »Wir kennen uns nicht besonders gut; sie ist nicht mein Typ, und außerdem wohne ich im
Studentenwohnheim; aber ich sitze hinter ihr und sehe von da aus so manches. Sie wissen schon.«
    »Danke, Eric, für den Hinweis, ich weiß ihn zu schätzen.«
    »Ja, nein, ich wollte es Sie nur wissen lassen, Sie haben es mit einer ganzen Klasse zu tun, Sie können nicht immer alles sehen. Aber ich bin cool; ich merke, worauf Sie hinauswollen,

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