Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
war das Schachbrett des Engels Kobabel, dachte er triumphierend, der Teil des »Uter Ventorum«, der in Sahagún verborgen war.
Er wühlte in seiner Tasche und zog seine Wachstäfelchen heraus, um die rätselhaften Inschriften zu kopieren.
60
Immer noch fieberglühend lief Uberto an der Seite des Grafen Dodiko durch die Straßen der Stadt und fragte sich, wer dieser Mann sein mochte und was er von ihm wollte. Unter anderen Umständen hätte er die imponierende Erscheinung des Mannes und die Eleganz seiner Kleidung bewundert, denn beides zeugte von dessen edler Abstammung. Jetzt zermarterte er sich jedoch nur stumm das Gehirn und wurde von Zweifeln gequält, ob er richtig gehandelt hatte. Außerdem hatte ihn das Verhalten seiner Gefährten ein wenig verletzt, die offenbar beschlossen hatten, einen der vier Teile des »Uter Ventorum« ohne ihn zu bergen.
Der Graf blieb an der Rückseite einer Kirche stehen. »Das ist die Kirche San Lorenzo. Bis du sicher, dass Ignazio da Toledo hierher wollte?«
»Ja«, erwiderte Uberto und erinnerte sich daran, wie er zusammen mit dem Händler das Rätsel des Engels Kobabel gelöst hatte. Trotz der Gefahr hatte er nur den Ort genannt, an dem sich Ignazio befinden musste, und nicht, weshalb er dort war. Uberto war keineswegs bereit, dem Unbekannten so weit zu trauen, dass er ihm von dem Buch erzählte.
»Bist du sicher? Es geht um Leben und Tod!«
Uberto nickte, hin- und hergerissen zwischen Sorge und Misstrauen.
»Dann gehen wir hinein, aber nicht durch das Hauptportal. Es ist sicherer, wenn wir einen Nebeneingang nehmen. Folge mir.«
In gebührendem Abstand betrat Uberto hinter dem Grafen Dodiko die nächtlich daliegende Kirche.
Hätte Uberto die Kirche San Lorenzo durch das Hauptportal betreten, wäre er auf Willalme gestoßen, der dort schweigend auf den Eingangsstufen saß. Trotz seiner Müdigkeit kam der Franzose nicht zur Ruhe. Er hatte ein ungutes Gefühl. Immer wieder stand er auf, lief mit grimmiger Miene auf und ab und trat Kieselsteine vom Pflaster fort. Ignazio hätte längst zurück sein sollen.
Plötzlich hörte er hinter sich das Geräusch von trabenden Hufen.
Er hatte sich noch nicht einmal ganz umgedreht, da ertönte schon eine drohende Stimme von hinten aus der Straße: »Willalme de Béziers!«
Ein Ritter galoppierte auf ihn zu. Er trug schwarze Kleidung, sein Gesicht war hinter einer Maske verborgen, die wie der Schnabel eines Raben geformt war. Das war ganz sicher einer der vier Männer, der sie bis zur Kirche San Sepulcro von Torres del Río verfolgt hatte! Ein Abgesandter der Heiligen Vehme!
Der Ritter machte keine Anstalten, anzuhalten, ja, er trieb sein Ross sogar noch an. Außerdem holte er aus dem Sattelbogen vor sich eine nagelbesetzte Keule hervor und schwang sie drohend über dem Kopf.
Willalme reagierte sofort. Er sprang in die Mitte der Straße, zückte seinen Säbel und begab sich in Verteidigungsposition.
Während sich Willalme zum Kampf wappnete, hatten sich zwei weitere maskierte Männer der Kirche San Lorenzo genähert. Schweigend hatten sie das Gebäude umrundet und kamen gerade rechtzeitig rechts um die Ecke der Vorderseite, um dem Kampf beizuwohnen.
Ihr Mann auf dem Pferd war eindeutig im Vorteil. Der Franzose würde sich vom Boden aus nicht lange verteidigen können, selbst wenn er ein erfahrener und geschickter Krieger war.
»Sein Schicksal ist besiegelt«, knurrte Slawnik seinem Begleiter zu. Wie viele Männer hatte er so fallen sehen! Dennoch hätte er Willalme gern selbst getötet, denn er hatte eine ganze Reihe von Rechnungen mit ihm offen. Doch die Befehle von Dominus waren eindeutig gewesen.
»Was machen wir jetzt?«, fragte der andere. »Kümmern wir uns um den Händler aus Toledo?«
»Nein«, erwiderte der Böhme. »Wir sollen die Zugänge kontrollieren und sicherstellen, dass niemand die Kirche verlässt.«
61
Im Lichtkreis der zwei Kerzen zeichnete sich Ignazios Gestalt wie eine Statue vor der dunklen Nacht ab. Er hatte sich vor der Inschrift niedergekauert und die Zeichen sorgfältig auf seine Wachstäfelchen übertragen. Ihm blieb keine Zeit, sie zu deuten, darum würde er sich später an einem sicheren Ort kümmern.
Nachdem er sein Werk vollendet hatte, machte er sich hastig daran, seine Spuren zu verwischen: Er zog die beschrifteten Ziegelsteine noch einmal aus der Wand und steckte sie dann in veränderter Reihenfolge wieder hinein, sodass die Originalbotschaft – wie immer sie lauten mochte – nicht mehr
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