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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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Mozarabern«, antwortete der Händler ein wenig zögernd.
    »Warum hört man nichts mehr von ihnen?«
    »Weil die Kirche, als sie die beiden Evangelien von Thomas und Philippus verdammte und zu apokryphen Schriften erklärte, ihre Auslöschung beschlossen hat. Sie hat die Bücher und damit die Kultur der Mozaraber verbrennen lassen, weil sie sie für misslich hielt. Die Erben dieser Volksgruppe ziehen nun heimatlos durch Spanien, diese Menschen, die einst im Einklang mit der christlichen wie der arabischen Welt lebten, wurden von der Geschichte ins Abseits verbannt.«
    »Du …«, rief Uberto, dem es nun wie Schuppen von den Augen fiel, »du bist ein Mozaraber.«
    »Ja.« Ignazio sah dem Jungen prüfend ins Gesicht. Er las dort keine Ablehnung oder gar Verachtung, sondern Bewunderung und Respekt. Daraufhin kräuselte er seine Lippen zu einem traurigen Lächeln. »Ich gehöre zum Geschlecht der Alvarez. Meine Vorfahren waren Mozaraber, doch schon mein Vater gehörte nicht mehr zu ihnen. Und ich bin gar nichts, bloß noch ein Staubkorn einer Erinnerung …«
    »Du bist mein Lehrmeister«, entgegnete Uberto entrüstet. »Ohne dich wäre ich immer noch in diesem Kloster und wüsste nichts davon, wie schön diese Welt ist. Jetzt verstehe ich, warum der alte Abt dich so schätzte.«
    Der Händler lächelte ihn an, und zum ersten Mal, seit Uberto ihn kennengelernt hatte, wirkte er auf ihn natürlich und vollkommen ehrlich. Er wollte gerade noch etwas hinzufügen, als ein Tempelritter der Nachhut sich ihnen näherte.
    »Alles zu Eurer Zufriedenheit, Sieurs?«
    Der Zauber des Augenblicks verging, und das Gesicht des Händlers erstarrte wieder zu der üblichen gleichmütigen Maske. Er wandte sich dem Templer zu und erwiderte zerstreut: »Alles in bester Ordnung, edler Ritter. Ich sprach gerade von meiner Familie.« Dann drehte er sich wieder Uberto zu, diesmal wirkte sein Blick distanziert. »Gut, wir haben Burgos fast erreicht.« Er schien schon wieder vergessen zu haben, was er gerade hatte sagen wollen.

57
    Die Reisenden erreichten ohne weitere Zwischenfälle Burgos, die Hauptstadt des alten Kastilien, ein Ort reich an prächtigen Gebäuden und mit Straßen voller Leben.
    Der Zug hielt am Ufer des Rio Arlanzón an. Philippe de Lusignan, der bis jetzt an der Spitze der Gruppe geritten war, lenkte sein Pferd zurück zur Nachhut und weiter zu Ignazio und seinen Begleitern, die am Rand einer pappelbestandenen Ebene standen.
    »Wie Ihr seht, Meister Ignazio, habe ich mein Wort gehalten. Ich habe Euch ohne Zwischenfälle bis nach Burgos geleitet.«
    »Eure Hilfe war wirklich sehr wertvoll für uns«, erwiderte Ignazio und sah den Ritter dankbar an.
    »Wie Ihr wisst, trennen sich unsere Wege jetzt«, fuhr Philippe fort. »Wir Tempelritter werden die Stadt nicht betreten. Daher müssen wir hier Abschied nehmen.«
    »Ich hoffe, Euch eines Tages wiederzusehen und Euch den Gefallen erwidern zu können. Bis dahin eine gute Reise, Sieur.«
    »Möge der Herr Euch beistehen, Meister Ignazio«, grüßte de Lusignan im Davonreiten und setzte sich wieder an die Spitze seines Zuges.
    Die Templer mussten weiter nach Süden, während Ignazios Gruppe westlich dem Jakobsweg folgen wollte.
    Die Reiterkarawane in den weißen Waffenröcken entfernte sich längs des Flusses und verschwand wie ein in der Sonne verschwimmendes Trugbild in einer Wolke gelblichen Staubs, den die Pferde von der Straße aufwirbelten. Als sie nicht mehr zu sehen waren, wandten sich die drei Reisegefährten der Stadt zu, die sich oben auf einer Hochebene aus dem grünen Meer der Bäume erhob. Dann setzten sie sich in Bewegung und erreichten kurz darauf Burgos.
    Sie suchten Unterkunft im Hospital del Rey, einer Pilgerherberge vor den Toren der Stadt, die an einer Ausfallstraße nach Westen lag.

58
    Zehn Tage später erreichten sie Sahagún, jene alte Ansiedlung, die rund um das cluniazensische Kloster San Fagun entstanden war.
    Die Reise über Hochebenen und durch karge Landstriche hatte Reiter wie Pferde erschöpft. Besonders Uberto war am Ende seiner Kräfte und konnte nur noch mühsam mit den anderen mithalten. Er ließ den Kopf hängen und hatte die Augen halb geschlossen, daran konnte weder Wasser noch Nahrung etwas ändern.
    Die Reisegefährten trafen in einer heißen Nacht Ende Juli in Sahagún ein. Die Sonne war vor ihren Augen rasch hinter dem Horizont versunken und hatte sie in tiefer Dunkelheit zwischen endlosen Weizenfeldern zurückgelassen. Sie waren einer

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