Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
nachzuvollziehen war. Sollte Dominus wirklich bis zu dieser Inschrift gelangen, würde er deren wahre Bedeutung nun bestimmt nicht mehr enträtseln können.
Ignazio stand auf und wollte gerade den Turm verlassen, als ungewöhnliche Geräusche, die von draußen hereindrangen, ihn aufhorchen ließen. Er trat an eines der Bogenfenster des Glockenturms und sah hinunter auf die Straße. Er spürte, wie ihm bei dem Anblick das Blut in den Adern gefror. Dort unten fochten zwei Männer einen so erbitterten Zweikampf aus, dass man ihre Arme nur so durch die Luft wirbeln sah. Einer von ihnen war Willalme, der zweite ein schwarz gekleideter Ritter. Das metallische Klirren der aufeinanderprallenden Waffen hallte laut durch die Straße vor der Kirche San Lorenzo und drang auch ins Innere des Turmes, wo es von den Säulen und Deckengewölben zurückgeworfen wurde.
Die Heilige Vehme!
Ignazio versuchte, die aufkommende Todesangst zu unterdrücken, verstaute hastig das Diptychon in seiner Tasche und eilte die Treppe hinunter, während er fieberhaft überlegte, wie er seinem Freund helfen könnte.
Aber er gelangte gar nicht erst bis ins Erdgeschoss, da sich ihm zwei Gestalten in den Weg stellten.
Die Keule hieb unerbittlich auf den Säbel ein, den Willalme zu seiner Verteidigung über dem Kopf schwang. Die mächtigen Schläge hagelten so schnell und mit so gnadenloser Kraft auf ihn ein, dass er keine Gelegenheit hatte, sich anders zu wehren.
Doch plötzlich gelang es ihm, als der Mann mit der Vogelmaske wieder zu einem Schlag ansetzte, zur Seite auszuweichen, sodass die Keule durch die Luft sauste und sirrend ins Leere ging. Darauf war der schwarz gekleidete Kämpfer nicht gefasst, er verlor beinahe das Gleichgewicht und fiel nach rechts. Willalme nutzte die Gelegenheit, packte ihn am Arm und zerrte an ihm, um ihn aus dem Sattel zu reißen.
Sein Gegner klammerte sich an seinem Pferd fest und versuchte, sich in den Steigbügeln abzustützen. Doch Willalme ließ nicht von ihm ab, hing halb in der Luft, bis sich das Tier auf einmal aufbäumte und beide auf der Straße landeten.
Willalme fand sich auf dem Boden wieder, sein Gegner lag schwer auf ihm. Der Mann war groß und kräftig gebaut, und wenn er eine Rüstung getragen hätte, hätte er ihm den Brustkorb zerquetscht. Mit einem Ellbogenstoß gelang es Willalme, ihn abzuschütteln. Er kniete sich hin, um wieder zu Atem zu kommen, dann hob er schnell seinen Krummsäbel auf, der ihm beim Sturz aus der Hand geglitten war.
Sein Gegner war gleich darauf ebenfalls wieder auf den Beinen, seine Maske war von Straßenschmutz überzogen. Er kam bedrohlich näher, schien allerdings unentschlossen, wie er weiter vorgehen sollte. Versuchte er, wieder aufs Pferd zu steigen, würde das zu lange dauern, und außerdem wäre er inzwischen so gut wie wehrlos. Daher ließ er die Keule kreisen und stürzte sich mit einem Kampfschrei auf den Franzosen.
Willalme reagierte blitzschnell auf den Angriff. Er schwang seine Waffe mit beiden Händen und beschrieb mit ihr einen großen Halbkreis. Die Klinge aus Damaszenerstahl sauste sirrend durch die Luft und traf den Feind mitten ins Gesicht.
Die Maske brach entzwei und gab den Blick frei auf ein blutüberströmtes Gesicht, dann sackte der Mann tot zu Boden.
Willalme blieb keuchend vor dem Toten stehen, während ihm vor Erregung das Blut in den Schläfen pochte. Seit Langem hatte er nicht mehr so erbittert gekämpft. Ein barbarisches Wohlgefühl durchströmte seinen Körper, doch plötzlich erinnerte er sich daran, weswegen er hier war.
»Ignazio!«, rief er aus und hoffte inbrünstig, dass dem Freund nichts zugestoßen war.
Er wollte gerade auf den Eingang von San Lorenzo zueilen, als ihn zwei kräftige Arme von hinten packten und gegen die Kirchenfassade stießen.
62
Angsterfüllt wich Ignazio vor den beiden dunklen Gestalten einen Schritt zurück. Einer war groß und ziemlich kräftig, der andere eher schmächtig.
Wer kam schon zu so später Stunde an diesen verlassenen Ort? Das konnten bloß Abgesandte der Heiligen Vehme sein, die ihn töten wollten. Erst Willalme, dann ihn.
Er schwang den Leuchter zu seiner Verteidigung vor sich hin und her. Der Schein der Kerzen erfasste die Männer. Der erste war gewandet wie ein Kreuzritter, bartlos, vielleicht war er älter, als sein Aussehen vermuten ließ. Ignazio kannte ihn nicht.
Fluchtbereit wandte er sich dem zweiten zu. Der war viel jünger, fast noch ein Kind, doch als er ihm ins Gesicht
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