Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
an. »Ihr müsst mir vertrauen, Meister Ignazio. Fliehen wir von hier, solange wir es noch können. Ich kenne einen Nebenausgang …«
Immer noch erregt von seinem Zweikampf, kam Willalme auf die Beine. Er hatte einen heftigen Schlag auf den Rücken bekommen, doch anscheinend war nichts gebrochen. Vor sich sah er zwei angriffsbereite finstere Gestalten, die Masken trugen.
Sein Säbel war in weitem Bogen fortgeflogen, und er sah keine Möglichkeit, ihn zu erreichen. Er konnte nur noch auf seine jambiya zurückgreifen, die er schnell unter der Tunika hervorholte und dem Angreifer, der ihm am nächsten stand und eine Eulenmaske trug, ins Bein rammte. Er stach voller Wut zu und drehte die Klinge im Fleisch herum, dass sein Gegner eine Reihe schrecklicher Flüche ausstieß. Dann zog er den Dolch wieder heraus und wollte ihn schon in dessen Kehle versenken, als ihn der zweite Mann angriff und in den Staub schleuderte. Willalme stand jedoch schnell wieder auf und machte sich zur Verteidigung bereit.
Der Mann, dem er die Klinge ins Bein gerammt hatte, kauerte wehrlos am Boden und presste die Hände auf die Wunde, aber der zweite war groß und kräftig, ein wahrer Riese. Er trug eine weiße Maske. Nun zückte er sein Schwert, ließ es immer wieder bedrohlich durch die Luft sausen und kam langsam näher. Seine Arme waren so dick wie Baumstämme und vermittelten den Eindruck, als könnten sie alles zerschmettern, was sich ihnen entgegenstellte.
Willalme wich zurück. Es war völlig unmöglich, sich nur mit einer jambiya bewaffnet gegen dieses Schwert zu wehren. Außerdem hatte er den Riesen erkannt. Es war der Mörder von Gothus Ruber.
Der Franzose schien schon verloren, als plötzlich in der Nacht laute Stimmen zu hören waren, die immer näher kamen. Die beiden Kämpfer hielten inne und blickten umher, um die Ursache des Lärms auszumachen. Sowohl im Dormitorium des Klosters neben der Kirche als auch in den umliegenden Häusern regte sich Leben.
Der Kampfeslärm musste die schlafenden Anwohner geweckt haben und trieb sie nun auf die Straße. Bald versammelten sich dort zahlreiche Mönche und Bürger, und aufgeregtes Stimmengewirr hallte durch die Nacht: »Was geht hier vor? Räuber! Strauchdiebe! Möge der Herr uns beschützen! Ruft die Wachen!«
Slawnik war wie versteinert, Wut tobte durch seine Adern. Was sollte er tun, den Franzosen töten oder fliehen? Wo war Dominus, der ihm den rechten Weg wies? Unentschlossen hob er das Schwert, um Willalme mit einem Hieb umzubringen, doch dann durchzuckte ihn ein grässlicher Schmerz im Nacken. Jemand hatte ihm einen kräftigen Stockschlag versetzt.
Der Böhme schwankte, fing sich jedoch wieder und versuchte, trotzdem seinen Hieb anzubringen. Der Franzose stand immer noch völlig ungedeckt vor ihm. Er konnte ihn nicht verfehlen.
Einen kurzen Moment fragte er sich, warum Willalme seine Deckung fallen gelassen hatte, doch er kam nicht mehr dazu, eine Antwort darauf zu finden. Ein zweiter Schlag traf ihn am Kopf, ein weiterer im Kreuz und dann noch ein dritter, bis er wie ein abgestochener Stier zu Boden sank.
Hinter ihm tauchte Ignazio auf, der seinen Pilgerstab wie eine Keule schwang. Graf Dodiko hielt den zweiten Angreifer mit der Beinwunde im Schach, indem er ihm das Schwert auf die Brust setzte.
Ignazio eilte zu Willalme und packte ihn am Arm. »Los, mein Freund.« Er klang beruhigend. »Machen wir, dass wir hier fortkommen.«
Die vier Männer drängten sich grob durch die versammelte Menge und entfernten sich schnell vom Schauplatz des Kampfes.
63
Die Nachtluft war ungewöhnlich kühl.
Die vier Flüchtenden hatten die Kirche San Lorenzo schon weit hinter sich gelassen und den Stadtrand von Sahagún erreicht, der an offenes Land grenzte. Uberto ging es inzwischen besser, er war zwar noch müde, hatte aber kein Fieber mehr.
Sie durchquerten gerade verschlafen daliegende Straßen mit baufälligen Häusern, die von einigen Fleckchen Grün umgeben waren, als Ignazio plötzlich seine Schritte beschleunigte und den Grafen Dodiko einholte. Er packte ihn an den Schultern, stieß ihn gegen eine Mauer und setzte ihm sein Messer an die Kehle.
»Seid Ihr wahnsinnig?«, knurrte der Graf. »Sieht so Eure Dankbarkeit aus?«
Ignazio wirkte ganz ruhig. »Ihr könnt sicher sein, mein Herr, dass ich nicht eher mein Messer herunternehmen werde, bis Ihr mir genau erklärt, wer Ihr seid und was Euch mit Viviën de Narbonne verbindet!«
Uberto war von Ignazios Verhalten vollkommen
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