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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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Glockenturm, der sich machtvoll über der größten Kapelle erhob. In der dunklen Nacht verlieh ihm die Anordnung der Bogenfenster, die sich über den größten Teil der Fassaden zogen, das Aussehen eines riesigen Bienenstocks. Einen kurzen Moment hatte er den Eindruck, der Turm würde schwanken wie bei einem Erdbeben, doch dann verschwand das Gefühl wieder. Das musste ein Streich gewesen sein, den ihm seine Müdigkeit gespielt hatte.
    »Warte hier draußen auf mich und halte Wache«, sagte er zu Willalme. »Ich gehe hinein.«
    »Weißt du, wo du suchen musst?«, fragte der Franzose.
    »Ich habe eine ungefähre Vorstellung … Augen auf, mein guter Freund, ich verlasse mich auf dich.«
    »Wie immer.«
    Ignazio schlüpfte in das Innere der Kirche, während Willalme in der verlassenen Straße vor dem Haupteingang stehen blieb.
    Keiner der beiden hatte den Mann bemerkt, der nur wenige Schritte von ihnen entfernt im Schatten der Mauer lauerte. Er war dürr, zog die Schultern nach vorn und trug einen Kapuzenumhang, der ihn beinahe wie einen Mönch wirken ließ. Er wartete, bis der Händler hineingegangen war, dann verschwand er in der Dunkelheit.
    Wie vermutet war die Kirche San Lorenzo menschenleer. Zu dieser Stunde hatten sich alle Mönche wohl schon ins Dormitorium zurückgezogen. Ignazio durchquerte vorsichtig das Hauptschiff, dennoch wurden seine Schritte von den hohen Gewölbebogen hallend zurückgeworfen.
    Er hielt vor dem Altar an und verharrte dort einige Augenblicke in Gedanken versunken, während der flackernde Schein der Kerzen sein Gesicht umzuckte. An den Wänden fiel ihm ein Fresko auf, das das Martyrium des heiligen Laurentius darstellte, wie er in Ketten auf einem glühenden Gitterrost lag und von der Glut und den Eisen der Folterer gequält wurde.
    Dies erinnerte Ignazio unwillkürlich an die Folterqualen, die ihm selbst drohten, sollte Dominus ihn hier finden. Er betrachtete das Gemälde. Das Gesicht des Märtyrers ließ keinen Schmerz erkennen, es wirkte heiter, beseelt von der göttlichen Begeisterung des Glaubens. Dann wanderten seine Augen weiter nach oben. Und plötzlich hatte er eine Eingebung: Das war nicht nur ein Gemälde, sondern der Hinweis! Ignazio rief sich Viviëns Rätsel in Erinnerung:
    Kobabel jüet as eschecs ou n’i lusit le soleill
    Celum Sancti Facundi miratur Laurentius
    Kobabel spielt Schach, wo die Sonne niemals scheint. Laurentius betrachtet den Himmel in Sanctus Facundus, übersetzte er für sich. Die Botschaft war eindeutig, er musste oben suchen, dort, wohin der Blick des heiligen Laurentius auf dem Fresko ging. An einem hoch gelegenen Ort, der vor Sonnenlicht geschützt war. Natürlich, der Turm!
    Er nahm sich einen zweiarmigen Leuchter mit brennenden Kerzen vom Altar und eilte durch die Kirchenschiffe auf der Suche nach einem Aufgang zu den oberen Stockwerken. Kurz darauf hatte er ihn gefunden und stieg, ohne zu zögern, die Treppen nach oben.
    Endlich hatte er das oberste Geschoss des Glockenturms erreicht. Auf den ersten Blick konnte er nichts Besonderes entdecken, weder Truhen noch Schränke, von Büchern oder Pergamenten ganz zu schweigen. Nur die Glocke, die stumm und unbewegt von der Decke hing, um sie herum nichts als Mauerwerk und Fenster.
    Ignazio leuchtete mit dem doppelarmigen Kerzenhalter die Wände ab und suchte nach einem Hinweis. Als er schon beinahe resigniert aufgeben wollte, bemerkte er eine kleine Holzikone an der Wand. Schnell eilte er darauf zu und betrachtete sie noch im Näherkommen. Sie stellte einen Mann mit einem Hundekopf dar, dessen Hände zum Gebet gefaltet waren. Den heiligen Christophorus.
    Die Gemäldetafel glich der, die er in San Michele della Chiusa gefunden hatte, aufs Haar. Es musste sich also um einen weiteren Hinweis handeln, den Viviën hinterlassen hatte.
    Voller Erregung nahm er das Bild von der Wand.
    Auf der Rückseite der Holztafel war zwar keine Inschrift, aber an der Stelle, an der sie an der Wand befestigt gewesen war, schienen einige Ziegelsteine verrückt worden zu sein. Insgesamt waren es neun an der Zahl, die ein Quadrat bildeten.
    Fieberhaft zog er die Ziegelsteine einen nach dem anderen heraus und untersuchte sie. Er bemerkte, dass jeder auf der verborgenen Seite seltsame Zeichen trug. Ignazio steckte die Steine wieder in die Wand, und zwar genau in der Reihenfolge, wie er sie herausgezogen hatte, nur dass die Schriftzeichen jetzt nach außen wiesen.
    So erhielt er ein merkwürdiges Muster aus neun Feldern.

    Das also

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