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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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den Hof auf sie zu. Der Mann war etwa dreißig Jahre alt, hager, hatte dichte Augenbrauen und eine niedrige Stirn. Er musterte Uberto und Willalme, und als er bei Ignazio anlangte, riss er ungläubig die Augen auf.
    »Heilige Muttergottes, ich kann es nicht glauben!«, rief er. » Patròn , seid Ihr es wirklich?«
    »Ja, Pablo, ich bin es wirklich.« Ignazio legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wie groß du geworden bist! Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch ein Junge und konntest nicht einmal über die Haferähren auf dem Feld schauen.«
    »Seitdem ist viel Zeit vergangen, patròn . Oh! Wenn das die Herrin erfährt … Wenn sie das erfährt! Wir glaubten ja schon, Ihr wärt …« Der Diener verstummte. »Nein, so etwas darf man nicht aussprechen! Nicht einmal denken. Das bringt Unglück«, stammelte er und fiel vor Rührung auf die Knie.
    »Steh auf, Pablo. Ich bin so erschöpft, dass ich auf dich drauffallen könnte«, sagte Ignazio mit gutmütigem Spott. »Sag mir lieber, wie es der Herrin …«
    »Gut. Ja, ihr geht es gut«, antwortete der Diener, bevor Ignazio den Satz beenden konnte. »Allen geht es prächtig, auch dem Landgut.«
    Ignazio nickte zufrieden. »Jetzt bring uns ins Haus. Meine Freunde und ich müssen uns ausruhen.«
    Pablo lächelte und ging ihnen zur Tür des Landhauses voraus. Die ganze Zeit murmelte er fröhlich vor sich hin: »Wenn die Herrin das erfährt … wenn sie das erfährt …«
    Uberto hatte die Szene verblüfft beobachtet. Er lief stumm, keines Wortes fähig, neben Ignazio her. Das Haus gehörte also dem Händler? Und wer war Doña Sibilla?
    Pablo geleitete die Gruppe um Ignazio zum Eingang des Hauses. Drinnen begegneten sie einer alten Zigeunerin, die ein schwarzes Tuch um die Schultern gelegt hatte. Sobald sie den Händler erblickte, schlug sie die Hände vor der Brust zusammen und kam mit Tränen in den Augen näher. Sie nahm Ignazios Hände und küsste sie.
    »Wie viel Zeit ist vergangen, patròn «, flüsterte sie bewegt.
    Ignazio ließ es geschehen. Er streichelte ihren Kopf, als sie seine Hände freigab, und sagte: »Liebe Nina, wein doch nicht. Sag mir lieber, wo ist Sibilla?«
    Immer noch schluchzend, erklärte die alte Frau, die Herrin habe sich schon zurückgezogen und schlafe. Sie fragte ihn, ob sie sie wecken solle, doch Ignazio verneinte das nach außen hin gleichmütig.
    »Seid Ihr hungrig, patròn ?« Die Magd sah die beiden jungen Männer an, die Ignazio gefolgt waren. »Soll ich Euch und Euren Begleitern etwas zu essen machen?«
    »Nein, das hat Zeit bis morgen. Bring meine Freunde in die Gästezimmer und geh schlafen. Ich kenn mich hier aus. Ich komme schon zurecht.«
    Nina nickte und bedeutete Uberto und Willalme, sie sollten ihr folgen.
    Bevor sie aufbrachen, packte Uberto den Händler am Arm und starrte ihn fragend an. Ignazio sah ihm beruhigend in die Augen. »Wir reden morgen«, sagte er nur.
    Uberto musste sich damit begnügen und eilte Willalme und der Magd hinterher.
    Stumm und mit zögernden Schritten lief Ignazio durch die Zimmer seines Landhauses. Der Geruch in den Räumen erinnerte ihn an die von der gleißenden Sonne aufgeheizten andalusischen Steine. Ein vertrauter Duft, so vertraut wie jede Falte in den Vorhängen und jedes Knarren der Dielen. Alles war noch genauso wie damals, als er fortgegangen war.
    Das Echo vergangener Tage hallte in den Mauern wider, und einen Augenblick lang genoss er dieses Gefühl, doch als es verging, blieb nichts als die kalte, feindliche Stille der Nacht übrig.
    Und sie?
    Wartete sie noch auf ihn, oder hatte sie der Einsamkeit und dem Kummer nachgegeben? Das wäre nach allem nur menschlich gewesen. Der Lauf der Zeit riss alles mit sich wie ein Hochwasser führender Fluss.
    Bei diesem Gedanken kam er sich vor wie ein Eindringling. Meinte, dass sein früheres Leben nicht mehr zu ihm gehörte. Warum sollte Sibilla auf ihn gewartet haben? Aus welchem Grund sollte sie sich überhaupt noch erinnern, dass sie einen Ehemann hatte? Fünfzehn Jahre waren eine lange Zeit!
    Er blieb vor einem Frauenporträt an der Wand stehen und verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln.
    Als er das Schlafzimmer erreichte, zögerte er kurz, dann trat er ein.
    Sibilla öffnete die Augen und löste sich schwer atmend aus ihren Träumen. Ein Laut hatte sie geweckt. Langsam durchforschten ihre Augen die Dunkelheit, und auf einmal sah sie ihn.
    Er saß ganz hinten im Raum, ihr genau gegenüber, und beobachtete sie.
    Der Anblick

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