Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
heiß auf den steinigen Weg, der sich durch dorniges Gestrüpp schlängelte. Weit und breit gab es weder Häuser, Brunnen oder Quellen. Die Männer brachten ihre Pferde zum Stehen und sahen sich misstrauisch um. Was hatte Ignazio vor? Es war noch zu früh, um sich ein Nachtlager zu suchen.
Dodiko näherte sich dem Händler mit brennenden Augen, sichtlich verärgert über diesen plötzlichen Halt. Ignazio, dem die Schwüle nichts auszumachen schien, musterte sein erhitztes Gesicht.
»Herr, Ihr schwitzt«, sagte er spöttisch. »Vertragt Ihr mit Eurer nordländischen Haut die Hitze hier nicht?«
»Warum habt Ihr angehalten?«, fragte der Graf, ohne auf die Bemerkung einzugehen.
»Wir machen einen Umweg. Richtung Norden.«
»Ich wüsste nicht, dass sich der vierte Teil des Buches dort befindet«, erwiderte Dodiko und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
»Ich bedauere, aber für den Augenblick muss ich in diese Richtung abbiegen. Dort erwarten mich dringende Geschäfte.«
»Ihr denkt jetzt an Geschäfte? Was für ein Mensch seid Ihr?«, begehrte der Graf auf. »Die Wiederbeschaffung des ›Uter Ventorums‹ ist unser wichtigstes Ziel!«
»Wenn ich Euch sage, dass ich nach Norden muss, dann werde ich dorthin gehen, mit oder ohne Eure Zustimmung«, erwiderte Ignazio ernst. »Ich fordere doch nur einen Tag Geduld von Euch, mehr nicht. Ihr reitet weiter nach Westen. Wartet in León auf mich. Nehmt Quartier nahe der Kirche Sant’Isidoro, in einer Herberge mit Namen La Medialuna y la Cruz. Dort werde ich so schnell wie möglich zu Euch stoßen.«
»Aber so verlieren wir kostbare Zeit«, beharrte Dodiko. »Und wir setzen uns Gefahren aus.«
»Es tut mir leid, aber ich muss es tun.«
Verstimmt umkreiste der Graf auf seinem Pferd Ignazio und musterte ihn schweigend. »Also gut, ich werde tun, was Ihr gesagt habt«, erklärte er. »Ich erwarte Euch dann im Medialuna y la Cruz. Ich hoffe, dass Ihr mein Vertrauen nicht missbraucht.«
»Ihr seht mich bald wieder«, sagte Ignazio, dann wandte er sein Pferd und sprach mit seinen Begleitern. »Uberto, Willalme, folgt mir.«
Dodiko blickte ihnen nach, wie sie in Richtung Norden verschwanden. Als sie außer Sichtweite waren, trieb er sein Pferd an und ritt in Richtung León. Tief in seinem Innersten hoffte er, dass ihn der Händler von Toledo nicht getäuscht hatte.
66
Der Saumpfad fiel nach Norden hin ab und wurde immer schmaler, je weiter er sich von der Straße nach León entfernte. Graf Dodiko musste inzwischen schon weit weg sein. Uberto und Willalme, die ebenfalls überrascht waren, ritten hinter dem Händler her. Keiner von beiden hatte es gewagt, ihm Fragen über ihr Ziel zu stellen. Nur zu gut kannten sie diesen nachdenklichen Blick, mit dem er sich davor schützte, zu viel von den in seinem Inneren tobenden Gefühlen preiszugeben.
Nachdem sie ein unscheinbares Dorf passiert hatten, folgten die Reisegefährten einem schmalen Pfad aus festgetrampelter Erde hinab ins Tal.
Sie kamen an der mozarabischen Kirche San Miguel de Escalada vorbei, während die Sonne, die schon tief über den Hängen ruhte, die Schatten ihres Säulengangs verlängerte.
Der Pfad verschwand allmählich zwischen ausgedehnten Flächen aus windzerzaustem Gras.
Bevor die Dunkelheit hereinbrach, erreichten Ignazio, Uberto und Willalme ein einsames Landgut im Tal, sie sahen die Schiefermauern zwischen sanften Haferfeldern, Olivenhainen und Weingärten. Das Wohnhaus erhob sich beschützend über das gesamte Anwesen und strahlte Ruhe und Geborgenheit aus wie eine Mutter, die ihr Kind behütend umarmt.
Ignazio zügelte sein Pferd und näherte sich der Umzäunung. Uberto beobachtete, wie er abstieg und Halt an den Zaunpfosten suchte. So zögernd, beinahe traurig, hatte er den Händler noch nie gesehen: Er hielt den Kopf gesenkt, als zöge dieser merkwürdig entrückte Ort ihn magisch an.
Ignazio ging in die Knie, strich sanft über ein Grasbüschel und pflückte eine weiße Blume. Mit geschlossenen Augen roch er daran und überließ sie mit einem geflüsterten Gebet dem Wind.
Eine Männerstimme aus dem Gebäude unterbrach jäh die Stille: »He, Ihr Fremden, was wollt Ihr hier? Ihr befindet Euch auf einem solar , das Grundstück ist Privatbesitz!«
Bei diesen Worten musste Ignazio lächeln. »Und wem gehört das Landgut?«, fragte er laut. »Wer ist der Besitzer?«
»Doña Sibilla! Sie ist die Herrin über alles, was Ihr seht.« Immer noch grimmig eilte der Diener über
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