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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Unterhaltung kitzelte Duverdy ungemein. Er trank
in kleinen Zügen Kümmel; sein starres Amtsgesicht zuckte zuweilen
in einem kurzen, sinnlichen Beben zusammen.
    Ich, sagte er, kann dem Laster nicht beistimmen. Es empört
mich … Nicht wahr? um eine Frau zu lieben, muß man sie achten.
Es wäre mir unmöglich, mich einer dieser Unglücklichen zu nähern,
es sei denn, daß sie wenigstens Reue zeigte über ihre unsittliche
Lebensweise, um sie zur Anständigkeit zurückzuführen. Die Liebe
könnte keine edlere Aufgabe als diese haben… Mit einem Worte, eine
anständige Geliebte: ihr versteht mich. Weiter will ich nichts
sagen, ich bin auch nur ein schwacher Mensch.
    Aber ich hatte ja anständige Geliebte! schrie Bachelard. Sie
sind noch schrecklicher als die anderen; und nichtswürdig
dazu …
    Zum Beispiel meine letzte, eine kleine, sehr
hübsche Dame, der ich in der Türe einer Kirche begegnete. Ich
mietete ihr in der Vorstadt Aux-Ternes ein Modewarengeschäft, um
sie irgendwo unterzubringen; es kam übrigens nicht eine Kundin.
Glauben Sie mir, mein Herr: sie schlief mit der ganzen Gasse.
    Gueulin kicherte, seine roten Haare sträubten sich mehr als
sonst, die Stirne war ganz in Schweiß gebadet. Er bemerkte, an
seiner Zigarre saugend:
    Und die andere, die Große aus Passy, die im Bonbongeschäfte… Und
die andere, die im Zimmer da unten mit ihren Ausstattungen für die
Waisen … Und die andere, die Witwe des Kapitäns, erinnern Sie
sich doch! jene, die einen Säbelhieb auf ihrem Bauche hatte …
Alle, Onkel, alle machten sich lustig über Sie! Jetzt kann ich es
Ihnen sagen: ich mußte mich eines Abends gegen jene mit dem
Säbelhieb wehren. Sie wollte, aber ich war nicht so dumm! Man weiß
niemals, wohin es mit solchen Frauenzimmern führt.
    Bachelard schien peinlich berührt. Er rückte auf seinem Sessel
herum und zwinkerte mit seinen großen Augen.
    Mein Kleiner, du kannst sie dir alle nehmen, ich habe etwas
Besseres als diese.
    Er wollte sich nicht erklären, glücklich über die Neugierde der
übrigen. Trotzdem brannte er vor Begierde, auszuplaudern und seinen
Schatz erraten zu lassen.
    Ein junges Mädchen, sagte er schließlich, aber ein echtes, auf
Ehrenwort!
    Nicht möglich! rief Trublot. Man erzeugt solche nicht mehr.
    Aus guter Familie? frug Duverdy.
    Aus der besten Familie, bestätigte der Onkel. Stellt euch etwas
unglaublich Keusches vor. Ein Zufall. Ich habe sie so ganz von ungefähr besessen. Vielleicht weiß
sie selbst noch nichts davon.
    Gueulin hörte erstaunt zu; dann machte er eine zweifelnde Miene
und sagte:
    Ach ja, ich weiß.
    Wie? Du weißt? rief Bachelard von Zorn ergriffen aus. Du weißt
nichts, mein Kleiner; niemand weiß etwas … Die da ist für Bibi
allein … Man sieht sie nicht, und man rührt sie nicht
an … Weg mit den Pfoten!
    Sich zu Duverdy wendend, sagte er:
    Sie werden mich verstehen, mein Herr, Sie, der Sie ein Herz
halben. Ich habe einen reizenden Winkel, wo ich mich von allen
meinen Mühseligkeiten ausruhe.
    Wenn Sie wüßten, wie fein, wie frisch sie ist; sie hat eine
Haut, duftig wie eine Blume, und Schultern und Schenkel, durchaus
nicht mager, mein Herr, sondern fest und rund wie die
Pfirsiche.
    Die roten Flecke des Rates färbten sich immer dunkler. Trublot
und Gueulin betrachteten den Onkel, und die Lust, ihn zu ohrfeigen,
ergriff sie, als sie ihn mit seinem Gebiß allzuweißer Zähne und dem
Speichel in den beiden Ecken seines Mundes sahen.
    Wie! diese alte Scharteke von einem Onkel, dieses Überbleibsel
von unsauberen Pariser Gelagen, dessen große flammende Nase allein
noch in dem schlaffen Fleisch der Wangen festsaß, hatte irgendwo
eine Unschuld mit frischen Gliedmaßen, die er mit seinen alten
Lastern beschmutzte!
    Jener hingegen ward immer zärtlicher, beleckte mit der
Zungenspitze den Rand seines kleinen Glases und fuhr fort:
    Nach alledem habe ich nur einen Wunsch; das ist: dieses Kind
glücklich zu machen! Allein, mein Bauch wird immer größer, ich bin
nur ein Vater für sie … Auf Ehrenwort! wenn ich einen recht vernünftigen Jungen fände, ich
würde sie ihm geben, natürlich zur Ehegattin, nicht anders.
    Sie würden zwei Menschen glücklich machen, versetzte Duverdy
gefühlvoll.
    Man begann in dem engen Salon zu ersticken. Ein verschüttetes
Glas Chartreuse beschmierte das Tischtuch, das von der
Zigarrenasche ganz schwarz geworden war. Die Herren hatten das
Bedürfnis nach frischer Luft.
    Wollt ihr sie sehen? fragte plötzlich der Onkel

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