Der häusliche Herd
den Dienst zu öffnen. Das Umdrehen des
Schlüssels im Schlosse verursachte ein lautes widerhallendes
Geräusch wie unter einem Domgewölbe.
Alle Wetter! brummte er; es scheint nicht
stark bewohnt zu sein!
Das tönt ziemlich hohl! bemerkte Bachelard.
Eine kleine Familiengruft, fügte Gueulin hinzu.
Sie traten ein, Duverdy voran mit hoch gehaltener Kerze. Das
Vorzimmer war leer, selbst die Kleiderhaken waren verschwunden.
Völlig leer waren auch der große Salon und der kleine Salon; nicht
ein Möbelstück, nicht ein Fenstervorhang, nicht ein Wandhaken.
Duverdy blickte wie versteinert zu Boden, hob dann wieder die
Augen zur Decke, schaute ringsum die Wände an, als suche er das
Loch, durch welches alles davon geflogen sein mochte.
Sauber aufgeräumt! bemerkte Trublot.
Vielleicht wird die Wohnung instandgesetzt, sagte Gueulin, ohne
zu lachen. Schauen wir ins Schlafzimmer; man wird die Möbel dorthin
geschafft haben.
Doch auch dieses Zimmer war kahl in der häßlichen und kalten
Nacktheit des Gipses, von dem man die Tapeten abgerissen hatte. An
der Stelle, wo das Bett gestanden, gähnten die Löcher, in denen die
Säulen des Betthimmels gesteckt hatten. Ein Fenster war halboffen
geblieben, so daß von außen die frische Luft eindrang, wodurch eine
Feuchtigkeit und Kühle in diesem Zimmer entstand wie auf einem
freien Platze.
Mein Gott, mein Gott! stammelte Duverdy, indem er bei dem
Anblick der Stelle, wo durch das Anreiben der Bettmatratzen
allmählich die Tapete abgewetzt war, in ein Schluchzen
ausbrach.
Der Onkel Bachelard schlug einen väterlichen Ton an.
Mut, mein Herr! Das ist auch mir schon passiert, und ich bin
nicht daran gestorben. Die Ehre ist gerettet, was ist weiter
dabei?
Der Rat schüttelte den Kopf und ging in das
Toilettezimmer, dann in die Küche. Hier war die nämliche Verödung.
Im Toilettezimmer war die Wachsleinwand entfernt worden, mit der
die Wände bekleidet gewesen; in der Küche hatte man selbst die
Nägel herausgezogen, auf denen die Bretter geruht hatten.
Das ist zu viel! Das ist schon Phantasie! rief Gueulin, von
Bewunderung erfüllt. Sie hätte doch wenigstens die Nägel
zurücklassen können!
Trublot, ermüdet durch das Essen und den weiten Weg, begann
diese Einsamkeit etwas langweilig zu finden. Duverdy ging mit
seiner Kerze noch immer von einem Zimmer ins andere, als ob er das
Bedürfnis fühle, sich in diese Verlassenheit zu versenken; die
übrigen waren genötigt, ihm zu folgen.
Er durchschritt von neuem jedes Zimmer, wollte den großen Salon
nochmals sehen, dann den kleinen Salon, das Schlafzimmer; er
leuchtete in alle Winkel hinein, während die anderen wie vorhin auf
der Treppe gleich einer Prozession hinter ihm herzogen, wobei ihre
Schatten auf den Wänden der leeren Zimmer tanzten. In der Stille
dieser verlassenen Wohnung verursachten ihre Schritte auf dem
Parkett ein dumpfes Geräusch.
Um den trübseligen Anblick zu vervollständigen, war die Wohnung
sehr rein; nirgends ein Stückchen Papier oder ein Strohhalm: es war
alles so rein wie ein sorglich ausgespülter Napf; der Hausmeister
hatte nämlich noch die Grausamkeit geübt, mit seinem Besen alles
reinzufegen.
Jetzt kann ich aber nicht weiter! erklärte Trublot, als man zum
drittenmal den Salon besichtigte. Zehn Sous für einen Sessel!
Alle vier standen in einer Gruppe beisammen.
Wann haben Sie sie denn zum letztenmal
gesehen? fragte Bachelard.
Gestern! rief Duverdy.
Gueulin schüttelte den Kopf. Alle Wetter, das war rasch gemacht!
Jetzt stieß Trublot einen Schrei aus: er hatte auf dem Kamin einen
schmutzigen Hemdkragen und eine zerbrochene Zigarre entdeckt.
Kränken Sie sich nicht allzusehr, sagte er; sie hat Ihnen
wenigstens ein Andenken zurückgelassen.
Duverdy betrachtete eine Weile gerührt den Kragen. Dann sagte
er:
25 000 Franken habe ich für die Möbel ausgegeben! … Um
das Geld ist es mir nicht leid! …
Wollen Sie die Zigarre nicht nehmen? fragte Trublot. Dann
erlauben Sie, daß ich sie anbrenne. Sie hat einige Löcher, aber das
schadet nichts; ich werde sie mit Zigarettenpapier umwickeln.
Er zündete die Zigarre an der Kerze an, die der Rat noch immer
in der Hand hielt, dann ließ er sich an der Wand auf die Erde
gleiten und sagte:
Ich setze mich einen Augenblick; meine Füße tragen mich nicht
weiter.
Aber erklären Sie mir nur, wo kann sie denn sein?
Bachelard und Gueulin blickten einander an. Das war eine heikle
Frage.
Endlich faßte der Onkel einen mannhaften Entschluß und
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