Der häusliche Herd
erzählte
dem bedauernswerten Manne alles: die Komödien der Clarisse, ihre
fortwährenden Liebschaften, und wie sie Herrn Duverdy jeden Abend
mit einem andern betrog.
Sicherlich ist sie mit ihrem letzten Liebhaber durchgegangen,
mit dem dicken Payan, dem Steinmetz aus dem Süden, den seine
Vaterstadt zu einem Bildhauer ausbilden lassen wollte.
Duverdy hörte entsetzt diese
Ungeheuerlichkeiten. Endlich rief er im Tone der Verzweiflung
aus:
Es gibt keine Rechtschaffenheit mehr auf Erden!
In einer plötzlich erwachenden Mitteilsamkeit erzählte er alles,
was er für sie getan. Er sprach von seiner Seele, beschuldigte sie,
daß sie seinen Glauben an die besten Gefühle der Menschheit
erschüttere. So suchte er unter dein Scheine eines gefühlvollen
Schmerzes den Verdruß zu verbergen, den er in der Enttäuschung
seiner gröblichen Gelüste empfand. Dieses Mädchen war ihm
unentbehrlich geworden. Er werde sie suchen, versicherte er, bis er
sie wiederfinde, zu dem einzigen Zwecke, sie über ihre
Handlungsweise erröten zu machen, und um zu sehen, ob ihr Herz
schon jedes Adels entbehre.
Lassen Sie das gut sein! rief Bachelard, den das Mißgeschick des
Rates entzückte. Sie würde sich über Sie vielleicht noch lustig
machen… Ich sage Ihnen: es geht nichts über die Tugend. Nehmen Sie
sich eine Kleine ohne böse Gedanken, unschuldig wie ein neugebornes
Kind… Da gibt es keine Gefahr, man kann ruhig schlafen.
Inzwischen saß Trublot auf der Erde an die Wand gelehnt, die
Beine weit von sich gestreckt. Er ruhte aus, und man vergaß
ihn.
Wenn es Ihnen eine Erleichterung bietet, werde ich die Adresse
erfahren, sagte er; ich kenne ihr Stubenmädchen.
Duverdy wandte sich um, überrascht von dieser Stimme, die von
den Dielen herauftönte; und als er ihn alles ausrauchen sah, was
von Clarisse übriggeblieben war; als er ihn dichte Rauchwolken in
die Luft blasen sah, in denen er die 25 000 Franken sich
verflüchtigen zu sehen glaubte, die er für Möbel ausgegeben hatte,
sagte er mit wütender Gebärde:
Nein, sie ist meiner unwürdig! .. Auf den
Knien soll sie mich um Verzeihung bitten!
Horch, da kommt sie zurück! sagte Gueulin, die Ohren
spitzend.
In der Tat hörte man jemanden im Vorzimmer herumgehen. Und eine
tiefe Stimme rief: »Nun, was ist's? Sind denn alle gestorben?«
Octave war gekommen. Er war höchlich betroffen bei dem Anblick
dieser leeren Zimmer, dieser offenen Türen. Sein Befremden stieg
noch höher, als er in der Mitte des großen, kahlen Salons die vier
Männer sah, einen auf dem Boden sitzend, die anderen drei stehend,
nur beleuchtet von dem spärlichen Lichte der Kerze, die der Rat wie
eine Leichenwachskerze in der Hand hielt. Man sagte ihm kurz, was
sich ereignet habe.
Unmöglich! rief er.
Hat man Ihnen denn unten nichts gesagt? fragte Gueulin.
Nein; der Hausmeister hat ruhig zugeschaut, wie ich heraufkam.
Schau, schau! Sie ist durchgegangen! Eigentlich überrascht mich das
nicht, sie hatte so drollige Augen und Haare!
Er wollte noch weitere Einzelheiten erfahren, plauderte eine
Weile und vergaß gänzlich den traurigen Auftrag, der ihn
hierhergeführt. Dann wandte er sich plötzlich zu Duverdy und
sagte:
Was ich sagen wollte, Ihre Gemahlin sendet nach, Sie
aufzusuchen… Ihr Schwiegervater liegt im Sterben.
Ah! sagte einfach der Rat.
Der alte Vabre! murmelte Bachelard. Ich war darauf gefaßt.
Ja, wenn man am Ende seiner Lebenstage angelangt ist! …
bemerkte Gueulin philosophisch.
Es ist besser, dieses Jammertal zu verlassen, fügte Trublot hinzu, indem er ein zweites Zigarettenpapier
um seine Zigarre wickelte.
Die Herren entschlossen sich indes, die leere Wohnung zu
verlassen. Octave erwähnte wiederholt, daß er einen Wagen unten
habe, daß er auf Ehrenwort versprochen habe, Herrn Duverdy sogleich
und in jedem Zustande nach Hause zu führen.
Letzterer verschloß sorgfältig die Türe, als lasse er daselbst
seine zärtlichen Gefühle tot zurück. Unten überkam ihn indes ein
Gefühl der Scham, Trublot mußte dem Hausbesorger den Schlüssel
einhändigen.
Auf der Straße drückten sie einander stumm die Hände, und sobald
die Droschke mit Octave und Duverdy davongefahren war, sagte Onkel
Bachelard zu Gueullin und Trublot, die mit ihm in der verödeten
Straße zurückgeblieben waren:
Donnergottes! Ich muß sie euch doch zeigen.
Er trippelte seit einigen Minuten ungeduldig herum, höchst
erregt über die Verzweiflung dieses Gimpels von einem Rat und vor
Freude schier aus der Haut
Weitere Kostenlose Bücher