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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sehr
unglücklich! …
    In ihrer Erbitterung sagte sie alles. Ein Mann, den sie aus
Liebe geheiratet zu haben glaubte, und der ihr bald ein Hemd
verweigern wird. Erfüllt sie etwa ihre Pflichten nicht? Hat er ihr
das geringste vorzuwerfen? Wenn er nicht in Zorn geraten wäre, als
sie das Geld für die Haare verlangte, wäre sie nicht genötigt
gewesen, sie insgeheim zu bezahlen. Wegen der geringsten Dummheiten
die nämlichen Geschichten! Sie konnte nicht den unbedeutendsten
Toilettegegenstand verlangen, ohne an seine mürrische Knauserei zu
stoßen. Natürlich hat auch sie ihren Stolz; sie verlangt jetzt
nichts mehr und entbehrt lieber das Notwendigste, als daß sie sich
erfolglos demütigen sollte. So hatte sie beispielsweise schon seit
zwei Wochen ein wahnsinniges Verlangen nach einem Phantasieschmuck,
den sie in dem Schaufenster eines Juweliers im Königspalast
gesehen.
    Wissen Sie: drei Sterne in die Haare zu stecken! Das Ganze
kostet eine Kleinigkeit, 100 Franken, glaube ich. Ich konnte mit
meinem Mann vom Morgen bis zum Abend darüber reden, er begriff
nichts.
    Octave hatte gar nicht gewagt, auf eine so günstige Gelegenheit
zu rechnen. Er ging daher geradeaus auf die Sache los.
    Ja, ja, ich weiß; Sie haben auch mir den Schmuck erwähnt. Ich
bin von Ihren Eltern so freundlich empfangen worden; Sie selbst
haben mich mit soviel Güte aufgenommen, daß ich glaubte, wagen zu
dürfen …
    Mit diesen Worten zog er eine längliche Schachtel
aus der Tasche, in der die drei Sterne,
auf einem Stück Wolle ruhend, funkelten. Berta erhob sieh sehr
erregt.
    Unmöglich, mein Herr! Ich will nicht. Sie haben sehr unrecht
gehandelt.
    Er benahm sich sehr sanft und ersann allerlei Vorwände. Im Süden
sei es eine allgemein verbreitete Sitte, behauptete er. Auch sei es
ja ein ganz wertloser Schmuck. Sie hatte zu weinen aufgehört, ihr
Gesicht war hochgerötet. Ihre Augen hafteten leuchtend auf der
Schachtel, gleichsam entzündet an den falschen Steinen.
    Ich bitte Sie, gnädige Frau … Es wäre mir ein Beweis, daß
Sie mit meinen Leistungen im Geschäfte zufrieden sind.
    Nein, wahrhaftig nein, Herr Octave! Dringen Sie nicht weiter in
mich … Sie machen mir nur Kummer.
    Jetzt war Saturnin wieder erschienen; er betrachtete den Schmuck
verzückt wie einen Heiligenschein. Doch sein feines Ohr hörte jetzt
die Schritte des zurückkehrenden August. Er benachrichtigte Berta
davon, indem er leise mit der Zunge schnalzte. Da entschloß sich
die junge Frau endlich gerade in dem Augenblicke, als ihr Gatte
eintrat.
    Ich werde sagen, daß ich das Geschenk von Hortense habe,
flüsterte sie und steckte die Schachtel hastig in die Tasche.
    August ließ das Gas auslöschen und ging dann mit ihr hinauf
schlafen, ohne auch nur mit einem Worte auf den Streit
zurückzukommen, im Grunde froh, daß er sie ruhig und heiter fand,
als ob nichts vorgefallen sei. Der Laden versank in tiefe
Finsternis; im Augenblicke, da er sich zurückzog, fühlte Octave,
wie im Finstern zwei brennende Hände die seinen drückten. Es war
Saturnin, der zurückblieb, da er im Kellermagazin schlief.
    Freund … Freund … Freund … blökte der Verrückte
in einem Erguß wilder Hingebung.
    In seinen Berechnungen enttäuscht, faßte
Octave eine jugendlich ungestüme Leidenschaft für Berta. Hatte er
anfangs seine alte Verführungsweise befolgt, seine
Entschlossenheit, durch die Frauen zum Ziele gelangen, so sah er
jetzt in ihr nicht nur die Herrin, deren Besitz das ganze Haus
seinem Einfluß unterordnen mußte; er verlangte vor allem nach der
Pariserin, diesem liebenswürdigen Geschöpf voll Luxus und Anmut,
das er in Marseille nicht hatte genießen können. Er empfand einen
Heißhunger nach diesen kleinen Händen, nach diesen kleinen Füßchen
in den Stiefelchen mit hohen Absätzen, nach diesem zarten Halse,
der sich in einer Spitzenwolke verlor, ja selbst nach den
Unterröcken von zweifelhafter Reinlichkeit, nach dem Küchengeruch,
den er unter diesen allzu reichen Toiletten witterte. Diese
plötzlich aufflammende Leidenschaft ging so weit, daß sie die
Trockenheit seiner wirtschaftlichen Natur zum Schwinden brachte, so
daß er in Geschenken und Ausgaben aller Art die 5000 Franken
hinauswarf, die er aus dem Süden mitgebracht und seither durch
geheimgehaltene Finanzoperationen schon verdoppelt hatte.
    Am meisten beunruhigte ihn aber, daß er, indem er verliebt
geworden, zugleich auch bedächtig ward. Er empfand nicht mehr die
entschiedene Hast, auf das Ziel

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