Der häusliche Herd
Zerstreuung. Er hörte Adele
kommen und Trublot bei ihr eintreten. Ein Streit drohte
auszubrechen. Sie verteidigte sich: der Hausbesitzer habe sie
zurückgehalten, es sei nicht ihre Schuld. Trublot beschuldigte sie
jetzt, sie sei stolz geworden. Doch sie begann zu weinen und
versicherte, sie sei gar nicht stolz. Welche Sünde könne sie
begangen haben, daß der liebe Gott die Männer so wütend hinter sie
her sein lasse? Einer nach dem andern; es wolle kein Ende nehmen.
Sie reize sie doch nicht; ihre Torheiten machten ihr so wenig
Vergnügen, daß sie absichtlich schmutzig bleibe, um sie nicht auf
schlimme Gedanken zu bringen. Aber es nütze nichts; sie würden nur
um so wütiger, und dabei gebe es immer mehr Arbeit. Sie gehe dabei
zugrunde; sie habe schon genug mit Frau Josserand auf dem Rücken,
die jeden Morgen die Küche scheuern lasse.
Ihr Männer, schluchzte sie, könnt nachher schlafen, soviel ihr
wollt; ich aber muß mich schinden … Nein, es gibt keine
Gerechtigkeit, ich bin zu unglücklich! …
Nun, schlafe, ich will dich nicht quälen, sagte Trublot, von
einem väterlichen Mitleid ergriffen. Es gibt Frauen, die an deiner
Stelle sein möchten … Wenn man dich liebt, dickes Tier, laß
dich lieben!
Gegen Tagesanbruch schlief Octave endlich ein. Tiefe Stille
herrschte in dem Hause; selbst die Schuhstepperin schnarchte nicht
mehr, sondern lag still wie eine Tote. Schon drang das matte Licht
des Tages durch das schmale Fenster des Raumes, als die Türe sich
öffnete, und der junge Mann dadurch plötzlich geweckt ward. Es war
Berta, die, von einem unwiderstehlichen Verlangen getrieben,
heraufgekommen war, um nachzuschauen; sie hatte zuerst
den Gedanken von sich gewiesen, dann aber
allerlei Vorwände ersonnen: die Notwendigkeit, das Zimmer zu
besichtigen, daselbst die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, falls
er in seinem Zorne alles durcheinander geworfen haben sollte.
Überdies glaubte sie ihn nicht mehr dort anzutreffen. Als sie ihn
bleich und drohend sich von dem schmalen eisernen Bett erheben sah,
stand sie betroffen da und hörte mit gesenkten Blicken seine
wütenden Vorwürfe an. Er heischte eine Antwort von ihr, forderte
wenigstens eine Entschuldigung.
Endlich flüsterte sie:
Im letzten Augenblicke konnte ich nicht. Die Sache ist gar zu
unzart.
Als sie ihn näher kommen sah, wich sie zurück aus Furcht, er
könne vielleicht die Gelegenheit nützen wollen. Er hatte in der Tat
Lust dazu; es schlug acht Uhr, alle Mägde waren hinabgegangen, auch
Trublot war schon fort. Als er nach ihren Händen griff und sagte,
daß man, wenn man jemanden liebe, sich alles gefallen lasse,
erklärte sie, der Geruch sei ihr lästig. Sie öffnete das Fenster.
Doch er zog sie wieder an sich und betäubte sie mit seinen Klagen.
Sie stand auf dem Punkte ihm nachzugeben, als ein Schwall
unflätiger Worte aus dem Küchenhof aufstieg.
Sau! Schmutzfink! bist du fertig? … Dein Waschlappen ist
mir wieder auf den Kopf gefallen!
Berta erbebte und machte sich mit den Worten los:
Hörst du? … Nein, nicht hier, ich bitte dich. Ich würde
mich zu sehr schämen. Hörst du diese Mädchen? Mich schaudert es bei
ihren Reden. Schon neulich glaubte ich, mir müsse übel
werden … Nein, laß mich; ich verspreche dir nächsten
Dienstag … in deinem Zimmer …
Die Verliebten wagten sich nicht zu rühren; sie standen da und
mußten alles hören.
Zeige dich doch ein wenig, fuhr Lisa wütend
fort, daß ich dir ihn an den Kopf schmeiße.
Ist das ein Geschrei wegen eines Fetzens, entgegnete Adele,
indem sie sich zum Fenster hinausbeugte. Ich habe nur mein
gestriges Geschirr damit abgewischt; auch ist er von selbst
hinabgefallen.
Sie machten ihren Frieden, und Lisa fragte sie, was man denn
gestern bei ihr gegessen habe. Wieder ein Ragout! Welche
Hungerleider! Sie würde in einer solchen Baracke sich Koteletten
gekauft haben. Sie hetzte Adele wieder auf, vom Zucker, vom
Fleische, von den Kerzen zu stibitzen; sie selbst habe niemals
Hunger und lasse Victoire die Campardons bestehlen, ohne auch nur
ihren Anteil zu verlangen.
Oh, sagte Adele, die sich leicht beschwatzen ließ, ich habe
neulich abend Kartoffeln in meine Tasche gesteckt; sie verbrannten
mir den Schenkel. Es war so gut, so gut! Und ich liebe den Essig so
sehr; ich trinke davon, wenn mir die Flasche in die Hände
kommt.
Doch jetzt lehnte sich auch Victoire ans Fenster und trank da
ein Glas Wacholderbranntwein, das Lisa ihr von Zeit zu Zeit kaufte,
um sie für die
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