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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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immer
verächtlicher die Lippen über diese »Baracke«, wo der Liebhaber der
Herrin ihr nicht einmal zehn Sous gab. Wenn sie glauben, daß sie
sie mit 20 Franken und einem Kleide für ewige Zeiten gekauft
hätten, so täuschten sie sich sehr; sie taxiere sich höher. Von da
ab zeigte sie sich weniger gefällig; sie vergaß, hinter ihnen die
Türen zu schließen, ohne daß sie ihre Erbitterung merkten; denn man
ist nicht gestimmt, Trinkgelder zu geben, wenn man fortwährend
darüber streiten muß, wo man sich küssen könnte. Das
Haus breitete noch immer seine Stille aus,
und Octave stieß auf der Suche nach einem sichern Winkel überall
auf Herrn Gourd, der den unanständigen Dingen auflauerte.
    Frau Juzeur beklagte den armen Jungen, der vor Liebe verging,
weil er seine Dame nicht sehen konnte, und erteilte ihm die besten
Ratschläge. Die Begierden Octaves gingen so weit, daß er eines
Tages daran dachte, sie zu bitten, ihm ihre Wohnung zu leihen. Sie
würde sich gewiß nicht geweigert haben; aber er fürchtete, Berta zu
erzürnen, wenn er sein Ausplaudern ihr gestehen würde. Er hatte
auch daran gedacht, sich Saturnin nützlich zu machen; vielleicht
werde der Verrückte in irgendeinem entlegenen Zimmer sie bewachen
wie ein treuer Hund; allein der blöde Junge zeigte phantastische
Launen; bald überhäufte er den Liebhaber seiner Schwester mit
lästigen Liebkosungen, bald schmollte er mit ihm und warf ihm
argwöhnische, gehässige Blicke zu. Es war, als sei er von der
nervösen, heftigen Eifersucht einer Frau erfaßt. Er zeigte ihm
diese Eifersucht besonders, seitdem er eines Morgens ihn bei der
kleinen Pichon fand, mit der er scherzte. In der Tat konnte Octave
jetzt nicht vor Mariens Tür vorbeigehen, ohne einzutreten, von
einem seltsamen Geschmack, einer leidenschaftlichen Regung erfaßt,
die er sich kaum zu gestehen wagte. Er betete Berta an, er hatte
ein wahnsinniges Verlangen nach ihr; und in diesem Bedürfnis, sie
zu besitzen, erwachte eine unendliche Zärtlichkeit für die andere,
eine Liebe, deren Zauber er früher, als ihr Verhältnis noch währte,
nie empfunden hatte. Es war ein immerwährender Reiz, sie zu sehen,
zu berühren; kleine Scherze, Neckereien; die handgreiflichen
Versuche eines Mannes, ein Weib wieder zu erringen, mit der
geheimen Verlegenheit darüber, daß seine Liebe einer anderen
gehöre. An solchen Tagen, wenn Saturnin ihn an den Röcken Mariens
hängend überraschte, drohte er mit seinen
Wolfsaugen, schien bereit zu beißen, und verzieh ihm erst, küßte
ihm als unterwürfiges Tier erst wieder die Hand, wenn er ihn treu
und zärtlich zu Berta zurückkehren sah.
    Da der Monat September zu Ende ging und die Sommerfrischler bald
zurückkehren mußten, faßte Octave in seiner Verzweiflung einen
tollen Entschluß. An einem Dienstag, da eben August nach Lyon
verreist war, erbat sich Rachel einen eintägigen Urlaub nach der
Provinz, wo ihre Schwester heiraten sollte. Es handelte sich also
einfach darum, die Nacht in dem Zimmer der Magd zuzubringen, wo sie
gewiß niemand suchen würde. Berta war über diesen Antrag zuerst
verletzt und weigerte sich sehr lebhaft; allein er beschwor sie mit
Tränen in den Augen und sprach davon, Paris verlassen zu wollen, wo
er soviel leiden müsse; er überhäufte sie mit sovielen Gründen, daß
sie schließlich den Kopf verlor und zusagte. Es ward alles
abgemacht. Am Dienstag, nach dem Essen, nahmen sie den Tee bei Frau
Josserand, um jeden Argwohn zu zerstreuen. Gueulin, Onkel Bachelard
und Trublot waren da; später kam auch Duverdy, der zuweilen die
Nacht in der Stadtwohnung zubrachte, indem er vorschützte, daß er
in früher Morgenstunde Geschäfte habe. Octave plauderte sehr
unbefangen mit den Herren; um Mitternacht verlor er sich und eilte
in das Zimmer Rachels, wohin eine Stunde später, wenn alles im
Hause schlafen würde, Berta ihm folgen sollte.
    Oben war er in der ersten halben Stunde von häuslichen
Geschäften in Anspruch genommen. Um den Widerwillen der jungen Frau
zu besiegen, hatte er versprochen, die Bettücher zu wechseln und
selbst die nötige Bettwäsche mitzubringen. Er setzte dann das Bett
instand, lange und unbeholfen dabei verweilend, in der Furcht
gehört zu werden. Dann setzte er sich – wie Trublot es zu
machen pflegte – auf einen Koffer und
suchte, sich in Geduld zu fassen. Die Mägde kamen, eine nach der
anderen, herauf, um schlafen zu gehen; da hörte man durch die
dünnen Holzwände Geräusche von Frauenzimmern, die sich

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