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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich der Vater, um auf diese
Anschuldigungen zu antworten; er wollte beteuern, daß er arbeiten
werde während der ganzen Zeit, die er noch zu durchleben habe, um
das Glück seiner Tochter zu erkaufen; da stürzte plötzlich, wie
einhergetragen durch einen Windstoß, Frau Josserand ins Zimmer
außer sich vor Wut über die Störrigkeit der Frau Dambreville und
ihres alten, grünseidenen Kleides nicht mehr achtend, dessen Leib
durch ihren zorngeschwellten Busen gesprengt war.
    Was, schrie sie, wer wagt es hier, von Betrug zu sprechen? Sie
waren es? Da gehen Sie vorerst auf den Friedhof, Herr, und schauen
Sie, ob die Kasse Ihres Vaters sich seither geöffnet hat.
    Diese Worte ärgerten August ganz unbändig, obgleich er darauf
gefaßt war.
    Sie aber fuhr erhobenen Hauptes und mit niederschmetterndem Tone
fort:
    Wir haben Ihre 10 000 Franken beisammen. Ja, dort liegen
sie in einem Schubfache… Aber Sie sollen sie erst erhalten, wenn
Herr Vabre zurückgekehrt ist, um Ihnen die Ihren zu geben. Eine
schöne Familie, daß muß ich sagen! Der Vater ein Spieler, der uns
alle foppt und der Schwager ein Dieb, der die Erbschaft in die
Tasche steckt.
    Ein Dieb, ein Dieb! stammelte August zum Äußersten getrieben.
Die Diebe sind hier!
    Mit geröteten Wangen stellten sich beide einander gegenüber.
Herr Josserand, den die heftigen Ausdrücke niederschmetterten,
trennte sie wieder. Er flehte sie an, ihre Ruhe zu bewahren; von
einem Frösteln geschüttelt, sank er dann in den Stuhl zurück.
    Auf alle Fälle, begann der Schwiegersohn
wieder, will ich keine Hure in meinem Hause! Behaltet euer Geld und
behaltet eure Tochter! Ich bin gekommen, um euch dies zu sagen.
    Das ist wieder eine andere Frage, bemerkte ruhig die Mutter.
Lassen Sie uns darüber reden.
    Der Vater, zu schwach, um sich erheben zu können, betrachtete
sie mit einer Miene des Entsetzens. Von alledem verstand er nichts
mehr. Was hatten sie gesagt? Wer war denn die Hure? Als er jedoch
im Laufe des Gespräches erfuhr, daß seine Tochter gemeint war, gab
es ihm einen Riß ins Herz, er fühlte in seiner Seele eine klaffende
Wunde, durch die sein Lebensrest zu enteilen drohte. Großer Gott –
dachte er – dieses Kind sollte seinen Tod herbeiführen? Sollte er
für alle seine Schwächen bestraft werden in ihr, die er nicht gut
zu erziehen vermochte? Schon der Gedanke, daß sie verschuldet, in
ewigem Hader mit ihrem Mann leben werde, vergiftete ihm sein altes
Leben, und dieser Gedanke erweckte in ihm die Qualen seiner eigenen
Existenz. Jetzt war sie gar hinabgesunken zum Ehebruch, auf diese
letzte Stufe weiblicher Verworfenheit; das empörte sein schlichtes
und biederes Ehrgefühl. Stumm und von einer großen Kälte ergriffen,
hörte er dem Zanke der beiden anderen zu.
    Sagte ich es Ihnen nicht gleich, daß sie mich betrügen werde?
rief August mit einer Miene triumphierenden Unwillens.
    Und antwortete ich Ihnen nicht, daß Sie alles taten, damit es
geschehe? erwiderte siegesbewußt Frau Josserand. Ich gebe der Berta
nicht recht; gewiß, es war blöd, was sie tat; ich will es ihr auch
ganz tüchtig sagen. Aber schließlich, da sie nicht anwesend ist,
kann ich es feststellen: Sie allein sind der Schuldige.
    Wie? Ich der Schuldige!
    Gewiß, mein Lieber. Sie verstehen nicht, die Frauen an sich zu
fesseln… Da sehen Sie, ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Hat es
Ihnen beliebt, zu meinen Dienstagsempfängen zu kommen? Nein, Sie
kamen höchstens dreimal und blieben nie länger als eine halbe
Stunde. Hat man auch Kopfschmerzen: es gibt doch Gesetze der
Höflichkeit. Gewiß, es ist gerade kein großes Verbrechen. Aber Sie
sind gerichtet, denn Sie sehen ein, daß es Ihnen an Lebensart
fehlt.
    Ihre Stimme kreischte in lang verhaltenem Groll; denn bei der
Verheiratung ihrer Tochter hatte sie in erster Reihe darauf
gerechnet, ihren Salon mit ihrem Schwiegersohn zu zieren. Nicht
nur, daß er nie jemanden mit sich brachte, auch er selbst kam so
gut wie nie; das war das Ende einer ihrer Träume; nie werde sie es
mit den musikalischen Abenden der Duverdy aufnehmen können.
    Übrigens, fügte sie spöttisch hinzu, übrigens zwinge ich
niemanden, sich bei mir zu amüsieren.
    Tatsache ist, daß man sich bei Ihnen überhaupt nicht unterhält,
antwortete er ungeduldig.
    So, so, fahren Sie nur fort mit Ihren Beleidigungen. Merken Sie
sich, daß ich die ganze elegante Welt in meinen Salons sehen
könnte, wenn ich wollte, und daß ich nicht auf Sie gewartet habe,
um meine gesellschaftliche

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